2008-03-05

Dessau war Täterstadt

Der Export und die Dezentralisierung des Gedenkens an die deutschen "Opfer" der alliierten Bombenangriffe hat mittlerweile doch ein recht beachtliches Ausmaß erreicht, wie nicht nur die
zahlreichen Nazi - "Mahnwachen" rund um den 13. Februar zeigten.
Als nächstes ist die Stadt Dessau Ort der Auseinandersetzung.



Hierzu ruft die AG Operation Taschentuch zur Partydemo am 8. März auf und bemerkt, unter anderem sehr richtig folgendes:

Nach dem Aufpolieren des Images im Zuge der Fußball-WM ist man stinksauer, sich durch die Schmuddelkinder von Rechts die ureigenste deutsche Gedenk-Leit-Kultur versauen zu lassen. Da hat die Bürgergesellschaft es in Jahrzehnten fleißiger Wühlarbeit geschafft, die eigenen Mythen und Verdrängungsneurosen bei der Bewältigung des „dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte“ endlich in eine mehrheits- und anschlussfähige Form zu bringen, und dann so etwas. Wie lange hat man dafür gestritten und sich von den einstigen Siegermächten Watschen abgeholt, um endlich die „Opfer des Bombenkrieges“ betrauern und die „Schuld der Vertreibung“ lauthals anprangern zu dürfen?

Nazis hin oder her - trotz ein paar krakelender Rechtsextremisten hält man unbeirrt an dieser entwickelten Gedenkkultur fest. Das Konstrukt des deutschen Opfermythos wird weiterhin gepflegt. Unter dem Motto: „Nie wieder!“ werden auf den diversen Gedenkevents natürlich auch die Opfer des nationalsozialistischen Terrors erwähnt, ohne jedoch jene unter der deutschen Zivilbevölkerung zu vergessen. Nicht nur zum Volkstrauertag werden in Dresden, Dessau oder Klein Wülknitz zunächst Kränze am Ehrenmal für die sowjetischen Soldaten abgelegt und anschließend auf dem selben Friedhof der gefallenen Frontsoldaten und Kriegshelden zu gedenken. Mit unterschiedlicher Intention wird die Shoa aus geschichtsrevisionistischen Motiven thematisiert, sofern sich die Erwähnung deutscher Verbrechen als politisch nützlich erweist. Alles war im Krieg irgendwie schlimm, die historisch definierten Kategorien Opfer und Täter haben sich aufgelöst und fertig ist sie: die deutsche Kollektividentität ohne braune Flecke auf der Weste. Dieser vermeintliche Zuwachs an moralischer Kompetenz hilft dabei ungemein, die Erinnerung an die deutschen Opfer legitim erscheinen zu lassen. Denn die Protagonisten der neuen Gedenk-Leit-Kultur durften ihre Volksgenossen 63 Jahre lang nicht öffentlich betrauern.

Diese pathologische Wahrnehmungsstörung lässt dabei völlig außer Acht, dass in der westdeutschen Gesellschaft bis in die 1970er Jahre hinein eine Auseinandersetzung mit dem Holocaust unzureichend stattfand und vielmehr breitenwirksam die eigenen Opfer im Vordergrund standen. Und auch in der DDR wurden – verstärkt v.a. in den 1980er Jahren – die Bombardements der Alliierten, hier vor allem der Amerikaner und Briten, ohne eine ernsthafte Einordnung in den historischen Kontext, als „Bombenterror der Alliierten“ verunglimpft. Übrigens ein Syntax, den die NPD schon vor Jahren für sich übernommen hat.

Die in diesem Zusammenhang erfolgte Stilisierung der deutschen Opfer als „Unschuldige“, als „Opfer unter Opfern“, klammert einen wesentlichen Punkt aus: Die deutsche Bevölkerung war keinesfalls unschuldig an der Entwicklung dieser Ereignisse, an der Machtergreifung der Nazis, an den Verbrechen der Wehrmacht, am Holocaust. Alles geschah im Wissen und mit Zustimmung der großen Mehrheit der Deutschen.
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