2007-01-29

Business as usual?! - "Antideutsche klatschen"

"eigentlich ist das ja auch schon fast ein naziaufmarsch,soviel faschisten dabei-also nächstes mal wirds antifa gegenaktionen geben!
Nie wieder Deutschland! Hoch die internationale Solidarität!
Antideutsche klatschen" - [alerta 28.01.2007 - 20:03 http://de.indymedia.org/2007/01/167052.shtml?c=on#c407281]

Das es in Deutschland keine Großdemonstrationen für Israel und gegen den Antisemitismus gibt und geben wird ist keine besonders kritische oder kluge Einsicht. Diese eigentlich banale Erkenntnis begründet sich aus der Einsicht über das Fortwirken der spezifischen deutschen Vergesellschaftung, d.h dem Nationalsozialismus und der daraus entstandenen Denkform.
Wenn allerdings dennoch zu einer "Großdemonstration" aufgerufen wird die zumindest die aktuelle Bedrohung Israels durch den Iran zum Thema macht, so ist nicht lange auf die, garantiert unvergnügliche Kritik teutonischer Kämpfer für Menschenrechte und (deutschen) Frieden zu warten.

Ende 2006 rief die Initiative "I like Israel" und das Webportal "Honestly Concerned" für den 28. Januar anlässlich des Holocaustgedenktages für eben solch eine Demonstration in Berlin auf. Der knappe fünfzeilige Aufruf und das sehr eigen- und fragwürdige Plakat sorgten nunmehr schnell für Debatten.
Das nicht sehr beliebte antideutsche HERRenmagazin "Bahamas" sorgte, mal wieder für ein Eigentor mit einer Polemik gegen die Deutsch-Israelische Gesellschaft und den tatsächlichen Unsinn der anberaumten Demonstration resp. ihrer OrganisatorInnen:

Zitat:
"Am genannten Denkmal, diesem Freiluftgelände für deutsche Spaßkultur auf der seit Jahren mit Skateboards und Picknickpaketen, lustigen Haschespielen und Übungen in Freeclimbing eine Nation sich auf die Weltmeisterschaft der Herzen, die sie im Sommer 2006 so bravourös gewann, vorbereitet hatte, „den gefährlichsten Politiker unserer Zeit“ anprangern zu wollen, haben wir einem der maßgeblichen Aufrufer, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), jederzeit zugetraut." (Anm.: Gemeint ist das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas wo die Demonstration endete)

Hierzu erschien eine ebenfalls lesenswerte Gegenrede von Lizas Welt und Hector Calvelli.

Zitat:
"Wer im wiedergutgemachten Deutschland zu jener kleinen Minderheit gehört, die nicht achselzuckend oder gar mit Befriedigung die existenzielle Bedrohung zur Kenntnis nimmt, die vom iranischen Atomprogramm für Israel ausgeht, findet hierzulande kaum Adressaten für seine Forderung, die Mullahs sollten von ihrem eliminatorischen Tun abgehalten und der jüdischen Staat stattdessen mit allen Mitteln – auch militärischen – unterstützt werden. Denn er sieht sich sowohl einer politischen Ökonomie der Eliten gegenüber, die sich durch beste Beziehungen zu den Feinden Israels auszeichnet, als auch dem antizionistischen Mainstream im Fuß- und Wahlvolk, das in den Juden die Reinkarnation der Nazis erblickt und in den Palästinensern die Opfer der Opfer."

...und zum Bahamas Text:
"Klar wird dies, wenn man folgenden Ausfall genauer analysiert: Den zu der Demonstration aufrufenden jüdischen Gemeinden und Gruppen wird ausdrücklich vorgehalten, sie beteiligten sich „wohl in der Hoffnung, ihrerseits ein Gemeinschaftsgefühl zu erleben“. Es ist die Ebene der Verdachts, die hier ins Spiel kommt, denn Belege für die Spekulation, den Teilnehmern gehe es bloß um eine familiäre Karnevalsparty und nicht um eine ernsthafte Manifestation gegen Judenhass, fehlen gänzlich. "

Nachdem die Demonstration, erwartungsgemäß keine grosse war, bricht sich der Hass auf Indymedia Bahn:

[Hintergrund
HO, HO, HOLOCAUST 28.01.2007 - 19:18]

[um diese demo geht`s antiantiantianti 28.01.2007- 20:18]
Am kommenden Wochenende wollen rechtskonservative jüdische Gruppen zusammen mit anderen israelsolidarischen Zusammenhängen gegen Irans Präsident Ahmadinedschad demonstrieren. Doch hinter der sich friedlich und demokratisch gebärdenden Forderung steht der Ruf nach Krieg. Dieser Zielsetzung Legitimität zu verleihen schrecken die Initiatoren auch nicht vor der Relativierung des industriellen Massenmords zurück, und das auch noch mit Bezug auf den Holocaustgedenktag. Schützenhilfe erhalten sie dabei von so genannten Antifaschisten.]

[Veranstalter: rechtsextreme Kach-Partei
keinE 28.01.2007 - 23:11
Die Kach-Partei (+Umfeld) haben u.a. zahlreiche Linke ermordet und so wohl auch mittlerweile verboten. Interessant, daß sie in Berlin versuchen mit hiesigen Rechtsextremisten Verbindungen zu knüpfen.]

[deutschlandwimpel...kotz!
craven 29.01.2007 - 00:05
also die deutschlandfahnen sind an dummheit nicht zu überbieten gewesen!!! unglaublich...allerdings waren das keine antideutschen antifas sondern 2 eher ältere herren mit bart, welche dann auch allein abgezogen sind! das es allerdings offenbar keine gegenaktionen da gab ist von antideutscher seite absolut erbärmlich und ekelhaft inkonsequent! leute wegen ihrem palituch ankacken, ok...hat gründe, aber dann deutschlandwimpel durchgehen zu lassen: einfach nur peinlich!]

[Das war keine Antifa-Demonstration
Mein Name 29.01.2007 - 14:22
sondern eine von der jüdischen Gemeinde organisierte Demo. Und da sind halt neben antideutschen Linken auch andere Leute mitgelaufen( israelsolidarische Christen, Konserative). Das erklärt auch die Deutschland-Fahnen. Soviel zur Ergänzung. Was anderes: Ich habe in den letzten Jahren etliche Anti-Hartz4 Demos gesehen, wo Deutschlandfahnen (nicht von Nazis, sonden von einfachen Gewerkschaftsmitgliedern oder so) mitgeführt wurden! Da gab es hier keine Empörung, keinen Aufschrei etc. Aber wenn es um das Thema Juden/Isreal geht, dann wird natürlich mit zweierlei Maß gemessen. Da sieht man gerne genauer hin. Na ja, Antisemitismus hat ja Traditition in Deutschland - und die Linke muss natürlich gleich mitmachen!]

[ohman
Sprechlos 29.01.2007 - 17:13
Ich glaube ich bin im falschen Film zuert eine Demo von der Antifa gegen die USA und gegen Deutschland, mit Sprüchen wie "Deutschland von der Landkarte fegen" und "Nie Nie Nie wieder Deutschland". Dann sehe ich hier ein Bild wo Leute einen Deutschlandfahne halten und eine Antifafahne neben der USA-fahne " Zusammen kämpfen... USA und Antifa". Kann mir mal einer Erklären was hier nun Fase ist also seid ihr für die USA und für Deutschland oder gegen Deutschland und die USA??]

[ich schäme mich
.... 28.01.2007 - 18:48
es ist escht traurig auf solchen demos nationalfahnen zu sehen... aber der hammer ist die deutschlandfahne .. schämt ihr euch nicht?? ihr seid kriegstreiber ohne ende und nationalisten! ihr sollte nicht antideutsche heisen sondern pro isreal. Solidarität mit isreal und dem jüdischen volke aber nicht auf diesem weg! Ihr seit keine Linke!! pro isreal nationalisten mit deutschlandfahnen!!!]

[Haha für Israel und ´Schland
antiimp 28.01.2007 - 19:10
Wie lächerlich ist das denn , da laufen Antideutsche mit einer Deutschen Fahne rum . Hhahahaha ich lache mit tot!
Scheint so als ob sie Hitler jetzt nicht mehr hassen?!

Fight Antideutsche , Fight the Capitalist State Israel!
Intifada Antinational!]

[Endlich
weiß ich 28.01.2007 - 19:24
Bescheid. Die Antideutschen tragen Deutschlandfahnen (siehe Foto). Wer bis jetzt noch geglaubt hat, der Fahnenfetischismus mit USA und ähnlichem, wäre keine Psychose sieht sich eines besseren belehrt. Was bringt ihr als nächstes in eurem "Kampf" gegen den Faschismus ?
Ikea Fahnen oder Hertha Fahnen ? Hoffentlich lacht sich der eine oder andere Nazi in Irans Regierung oder der NPD Zentrale tot wenn er Bilder von dieser grotesken Demo sieht.]

["atomarer Holocaust"?
Dein Name 28.01.2007 - 19:45
Wie kann man als Antifaschist eigentlich vom atomaren Holocaust sprechen? Sowas ist eine Verharmlosung der Vorkommnisse im 3. Reich.]

[Jippie
endlich 28.01.2007 - 19:58
der Abschied der Antideutschen aus der radikalen Linken..wurde aber auch Zeit. Da hilft nur noch die Isolation, in linke Zentren würde ich das Pack aber nicht mehr.Zusammen mit deutschnationalen Demonstrieren lol, aber dann gegen sogenannte Linksnationalisten Hetzen. Pfui. ]

Geil --> Startseite !!
lol ! 28.01.2007 - 20:02
Ist das geil! Die perfekte Satire ala Stefan Raab! Diese Fahnenständer mit den Deutschlandfahnen kommen echt total gut, ich sach doch schon immer: Die (Anti-)Deutschen sind an Deutschheit echt nicht mehr zu überbieten.
Aber mal im Ernst-
Solidarität mit Israel*!

(*aber doch nicht SO...!!!)]

antideutsche spinner
alerta 28.01.2007 - 20:03
also es ist wirklich schockierend wie rechts doch angeblich "linke" sind
da laufen manche mit ner antifa fahne inner demo mit israel und deutschland fahnen
Die gesamte globale linke kann sich da nur noch am kopf fassen
eigentlich ist das ja auch schon fast ein naziaufmarsch,soviel faschisten dabei-also nächstes mal wirds antifa gegenaktionen geben!

Nie wieder Deutschland!Hoch die internationale Solidarität!
Antideutsche klatschen]

[oh mein gott
abac-berlin 28.01.2007 - 21:26
so lächerlich...
ich hab die endkundgebung gehört...
die haben sich andauernd wiedersprochen...
von wegen gegen die deutsche plotik labern und selber deutschlandflaggen wehen lassen...
boa war die demo lächerlich...
und schöne und ehrliche gegenaktionen!!! Die Demonstranten konnten auch nur bei ner disskusion einen als faschist bezeichnen... da sieht man mal, dass man die innerhalb von 1min mundtot macht... es lebe die wahre antifa...]

Any questions?

2007-01-17

Deconstruct!

Aufruf zu den Gegenaktivitäten gegen den Naziaufmarsch und das bürgerliche Gedenken am 13. Februar 2007 in Dresden.

For further actual and practical informations watch here.


Der 13. Februar in Dresden - das ist kein Tag wie jeder andere und dies in vielfacher Hinsicht. Die verschiedenen Gedenkrituale anlässlich der Bombardierung Dresdens vom 13. / 14. Februar 1945 durch alliierte Streitkräfte haben sich mit dem 60. Jahrestag endgültig zu einer Bezugsgröße im erinnerungspolitischen Diskurs entwickelt.
Auch im Jahr 2007 wird wieder der jährliche Nazi-"Trauermarsch" stattfinden. Ihren bisherigen Höhepunkt erlebte die seit 9 Jahren stattfindende Demonstration
im Jahr 2005 mit über 6000 Nazis und ist damit der größte Aufmarsch in der Bundesrepublik.
Die Nazis beanspruchen für sich, das wahre "Gedenken" am 13. Februar zu repräsentieren und zu bewahren. Wesentlicher Unterschied zum bürgerlich-offiziellen Umgang ist die Leugnung jeder Schuld der Deutschen, die Leugnung der Shoa und die Umdeutung von Begriffen, was etwa zur Entwicklung des Ausdruckes "Bombenholocaust" geführt hat.


Gelang es im Jahr 2006 mittels einer Blockade den Naziaufmarsch zumindest zu einer Abkürzung der Route zu zwingen, so ist unser Ziel 2007 klar: die Nazis sollen keinen Meter gehen.
Die antifaschistischen Aktivitäten werden in jedem Jahr in typisch sächsischer extremismus-theoretischer Manier mit dem Naziaufmarsch gleichgesetzt.
Das Gedenken müsse gegen "Extremisten" jedweder Couleur verteidigt werden. Die Motivation, den Nazis an diesem Tage etwas entgegenzusetzen ist dann auch meist damit begrü
ndet, dass das Ansehen Dresdens beschädigt und das Gedenken missbraucht werde. Nicht aber das Stadtimage oder das Retten des Gedenkens sollte ausschlaggebend sein, sondern allein die Tatsache, dass tausende Neonazis am 13. Februar ihre menschenverachtende Ideologie auf die Straße tragen wollen.
Dies muss die Motivation sein, diesen Aufmarsch mit allen Mitteln zu verhindern – und für uns ist sie das in jedem Fall.
Auch im Jahr 2007 werden wieder die verschiedensten Gedenkveranstaltungen, Konzerte und Diskussionsrunden geboten, welche zum Großteil eine realistischere Betrachtung der geschichtlichen Ereignisse weiterhin vermissen lassen und die vielfach widerlegten Mythen rund um den 13. Februar weiter kolportieren.
Von offizieller Seite aber wird inzwischen Wert auf eine inhaltliche Abgrenzung zu den Positionen der Nazis gelegt. Die Bewertung der Ereignisse hat sich im Laufe der Auseinandersetzungen um den 60. Jahrestag verändert. Im Bild der Stadt Dresden, wie auch im Rahmen der Erinnerungspolitik der Berliner Republik ist mittlerweile eine Interpretation etabliert, welche eine deutsche Schuld explizit einräumt. Doch mit der Anerkennung deutscher Schuld geht der Ver weis auf eine gesamteuropäische Verantwortung an der Shoa einher, ebenso wie der Hinweis auf die jahrelange Beschäftigung mit der eigenen Schuld und dem Wunsch, nun endlich der "deutschen Opfer" gedenken zu dürfen. Dieser Argumentation wird sich auch in Dresden bedient, obwohl hier erst seit wenigen Jahren die Geschichte Dresdens während des NS überhaupt offiziell thematisiert wird. Stattdessen stand die Bombardierung Dresdens seit jeher im Mittelpunkt des Gedenkens. Dresden reiht sich nun selbst in eine Kette von "Terroropfern" von Guernica über Hiroshima, Bagdad bis New York – wie auf dem Plakat der Stadt Dresden 2005 zu sehen – oder in eine Reihe mit den Opfern der Shoa ein. So werden sich, wie jedes Jahr am Morgen des 13. Februar, die Vertreter_innen der Stadt, des Landes, der Parteien - inklusive der NPD - und der damaligen Alliierten zum Gedenken an die Bombardierung Dresdens an dem revisionistischen Denkmal auf dem Heidefriedhof treffen. Hier steht die Stele mit der Aufschrift Dresden im Kreis mit jenen Stelen, welche die Namen von Konzentrations- und Vernichtungslagern und die Namen der von Deutschland bombardierten Städte tragen.
Neben dieser Form des relativierenden Umgangs mit deutscher Geschichte etablierte sich eine weitere Form der Verharmlosung im gedenkpolitischen Mainstream – die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und realexistierendem Sozialismus im Zuge der Totalitarismustheorie. Beide werden als annähernd übereinstimmende politische Phänomene, in ihrer Funktionsweise identische politische Systeme konstruiert.

So schafft die Lehre vom Totalitarismus die Möglichkeit einer Geschichtsrezeption, die die spezifischen Züge des Nationalsozialismus im "Europa der Diktaturen" verschwinden lässt. Die Betrachtung deutscher Schuld ist hier nur noch mit dem gleichzeitigen Ver weis auf die Täterschaft der anderen und deren Verbrechen und auf die "zahlreichen unschuldigen deutschen Opfer" denkbar. Die Opfer der Shoa werden gleichgesetzt in einer Vermengung aller Opfer von "Gewaltherrschaft, Krieg und Terror". Praktische Umsetzung findet diese u.a. durch das Hannah-Arendt-Institut vorangetriebenen Theorie im sächsischen Gedenkstättengesetz, welches ein unterschiedloses Gedenken sowohl an die Opfer des Nationalsozialismus als auch an die der Nachkriegszeit festschreibt. Beide beschriebenen Formen des Umgangs mit Geschichte und deutscher Schuld folgen in ihrem Kern der gleichen geschichtsrevisionistischen Logik. Die Grenzen von TäterInnen und Opfern verschwimmen, denn alle waren schließlich sowohl TäterInnen als auch Opfer. Die einzelnen Besonderheiten spielen keine Rolle mehr, der Kontext verschwindet. Die Singularität Auschwitzs wird verwaschen, um eine Normalisierung im Umgang mit Deutschland zu erleichtern. Der Gleichsetzung der Opfer der Bombardierung mit Opfern der Shoa und der Stilisierung Dresdens als unschuldiges Opfer von Terror und Gewalt treten wir vehement entgegen. Wir erinnern an die Rolle Dresdens und seiner BewohnerInnen im Nationalsozialismus. Dresden taugt nicht zum Symbol des Friedens. Ebenso vehement treten wir der Einebnung der Spezifik deutscher Verbrechen, sei es durch die Totalitarismustheorie oder die Erinnerungspolitik der Berliner Republik, entgegen. Wir erinnern an die Singularität von Auschwitz, welche in der Systematik der Vernichtung von Millionen von Menschen auf der Basis einer menschenverachtenden Ideologie liegt. Wir demonstrieren am 13. Februar 2007 in Dresden, um dem aktuellen erinnerungspolitischen Diskurs etwas entgegenzusetzen und den Naziaufmarsch keinen Meter weit kommen zu lassen.

Gedenkpolitik – was nicht passt wird passend gemacht

Die offizielle Bewertung der Ereignisse im Laufe der Auseinandersetzungen um den 60. Jahrestag hat sich verändert, da diese maßgeblich von der politischen Wirksamkeit in der Berliner Republik geprägt ist. Die bereits kurz nach dem Bombardement von der NS-Propaganda gestiftete und in der DDR weitergeführte Geschichtsschreibung von der „völlig sinnlosen und brutalen Zerstörung“ der Stadt, die zudem die Ursachen des Krieges und die Opfer des Nationalsozialismus völlig ausblendete, ist mittler weile weitgehend ad absurdum geführt. Bis auf die Nazis als einzig gesellschaftlich relevante Gruppe führt heute kaum jemand diese Argumentation weiter. Im offiziellen Bild der Stadt und im Rahmen des bundespolitischen Geschichtsdiskurses ist mittlerweile eine zeitgemäßere und d.h. eben auch politisch brauchbarere Interpretation etabliert. Diese Interpretation räumt eine deutsche Schuld ein, verweist aber auf eine gesamteuropäische Verantwortung an der Shoa. So verspricht Schröder zum 60. Jahrestages des DDay: „Europa hat seine Lektion gelernt und gerade wir Deutschen werden sie nicht verdrängen.“ Sie bietet Platz für ein Gedenken an die Opfer des NS, um im gleichen Atemzug ein Gleichberechtigtes Trauern an „deutsche Opfer“ einzufordern. Die Opfer der Shoa werden in einer totalitären Vermengung aller Opfer von „Gewaltherrschaft, Krieg und Terror“gleichgesetzt. Die Singularität Auschwitzs wird verwaschen, um eine Normalisierung im Umgang mit Deutschland in Europa und dem Rest der Welt zu erleichtern.

Gedenken an die Opfer der Shoa in Dresden

In keiner anderen deutschen Stadt gab es prozentual so viele NSDAP-Mitglieder wie in Dresden.
Die erste Bücherverbrennung Nazideutschlands fand in D
resden statt; am 8. März 1933, wesentlich getragen von nationalsozialistischen Studierenden und Hochschulangehörigen.
Bis zum 1. April 1940 wurde ein Großteil der verbliebenen jüdischen Bevölkerung in 36 „Judenhäuser“ interniert und am 23. November 1942 ins „Judenlager“ Hellerberge verschleppt; damit war Dresden offiziell „judenfrei“.
Wenige Monate später, am 2. März 1943, wurden alle Bewohner_innen des „Judenlagers“ ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Bis dahin mussten die Jüd_innen in unterschiedlichen Dresdner Betrieben, vor allem für die Zeiss-Ikon A.G., Zwangsarbeit leisten, entsprechend eng war die Kooperation zwischen jenen Firmen und der Gestapo, der SS und anderen Behörden.
Die Jüd_innen und ihr Leiden waren durchaus wahrnehmbarer Teil des wirtschaftlichen und sozialen Lebens der Stadt. So wurden die jüdischen Menschen, ehe ihnen ab dem 1. Mai 1942 die Ben
utzung von Verkehrsmitteln untersagt wurde, mit einer gelb gestrichenen „Judenbahn“ zu den Orten ihrer Zwangsarbeit gebracht. Dies rief, wie sich die Überlebende Henny Brenner erinnert, wiederum den Unmut der „arischen“ DresdnerInnen her vor, da sie diese Bahn nicht nutzen konnten und einige Minuten länger warten mussten. „Wenn wir eingestiegen sind, haben sie uns bedroht und beschimpft, als ob wir uns eine eigene Bahn bestellt hätten.
Insgesamt sind über 200 Zwangsarbeitslager der NS-Zeit in Dresden belegt, darunter das er wähnte „Judenlager“ Hellerberge 1942-43, mehrere KZ-Außenlager 1944-45 und zahlreiche weitere, nicht wenige mit zynischen Bezeichnungen wie „Ausländerkinderpflegestätte“ oder „Reichsbahnwohnlager“.
In Dresden ist all dies fast unbekannt. Erst in den letzten Jahren konnte die Öffentlichkeitsarbeit der Jüdischen Gemeinde und der Christlich Jüdischen Zusammenarbeit Gehör finden. Auch in Publikationen und Veranstaltungen zu und über jene Zeit wird der Kontext, die nationalsozialistische Gesellschaft, als auch die Opfer des NS heute regelmäßig erwähnt. Mittlerweile gibt es eine Gedenktafel für die Internierten des „Judenlagers“. Allerdings sehr dezent; wer sie nicht kennt oder nicht sehen will, kann und wird sie übersehen - die Opfer des NS kommen in der Erinnerung noch immer nur sehr marginal vor.
Im Dresdner Gedenkdiskurs liegt der Fokus seit jeher auf der Bombardierung durch die Alliier ten. Nur wer ins Konstrukt passt, die_der wird auch erinnert. Der überlebende jüdische Dresdner Victor Klemperer etwa war von Anfang an im Diskurs präsent. Er ist zum einen als
intellektueller Dresdner seit spätestens 1920 eine wichtige Figur in der kulturellen und wissenschaftlichen High Society und kann als Repräsentant des „Alten Dresden“ vor der Zerstörung dargestellt werden. Zum anderen war er Opfer, nicht Täter des NS; eine Position, die besonders gemäß der DDR-Doktrin der überwiegenden Mehrheit der Deutschen zugeschrieben wurde. Einige wenige weitere Repräsentant_innen der NS-Opfer kamen in den letzten Jahren hinzu - dem gegenüber steht allerdings eine neue Hochkonjunktur von Dresden-Büchern, -Filmen und -Merchandising in neuem, gesamtdeutschen Kontext.“

Mythos Dresden – gestern und heute

Bevor der klassische Dresden Mythos ab Ende der 1990er Jahre zumindest in Frage gestellt wurde, war in der offiziellen deutschen Geschichtsschreibung, sowohl in Ost als auch in West, weitgehend die bereits beschriebene Ansicht verbreitet, der Angriff auf Dresden sei illegitim gewesen, da der Krieg fast vorbei war.
Diese ursprünglich nationalsozialistische Interpretation war maßgeblich für das Entstehen des Symbols „Dresden“ als zentrale Chiffre für deutsches Leid im zweiten Weltkrieg.
Solche Geschichtsschreibung war und ist revisionistisch, verharmlost sie doch die kausale Schuld der Deutschen am Ausbruch des zweiten Weltkrieges, in dessen Rahmen es notwendig war, auch deutsche Städte zu zerstören um die nationalsozialistische Kriegsmaschinerie zu schwächen. Ebenso verdrängt diese Sicht die Opfer der deutschen Vernichtung, der zum Zeitpunkt der Bombardierung Dresdens mehrere Millionen Menschen zum Opfer gefallen waren. Zudem wurde in diesem Zusammenhang „Dresden“ in einem Atemzug mit „Auschwitz“ genannt bzw. TäterInnen mit Opfern gleichgesetzt und damit der organisierte antisemitische Massenmord der Deutschen relativiert.

Trotz der historischen Fakten war ein einseitiges Gedenken an die Bombardierung, wie es in Dresden über Jahre praktiziert wurde, widerspruchsfrei möglich. Auch heute steht die Bombardierung im Geschichtsdiskurs der Stadt Dresden an erster Stelle, auch wenn es eine sachlichere Betrachtung der Fakten gibt.
So zum Beispiel im Begleittext zur Ausstellung „Mythos Dresden“, die anlässlich der 800 Jahr Feier 2006 konzipiert wurde: „Die Bombardierung Dresdens am 13. und 14. Februar 1945 markiert eine Etappe auf dem Sieg der Alliierten über Nazieutschland. Der Luftangriff brachte mit rund 30.000 Toten unermessliches Leid über die Dresdner Bevölkerung.“ (...) „Die Bomben der Briten und Amerikaner trafen unschuldige Menschen, aber keine „unschuldige Stadt“. Wie in anderen deutschen Städten wurden auch in Dresden jüdische Mitbürger verfolgt, Bücher verbrannt und moderne Kunstwerke als „entartet“ verhöhnt. Wegen ihrer geografischen Lage war die Stadt Drehkreuz des Bahnverkehrs und zahlreiche Dresdner Fabriken stellten kriegswichtige Produkte her. Doch schon die Nazis sprachen von der „völlig sinnlosen Zerstörung der unschuldigen Stadt“ und konstruierten damit einen Mythos, der sich bis heute beharrlich gehalten hat.

Mit der Vorstellung von der "sinnlosen Zerstörung" können sich auch weiterhin die Legenden um die angebliche Tieffliegerangriffe und Phosphorbombeneinsätze, sowie die militärisch-wirtschaftlich unbedeutende Kulturstadt in der Dresdner "oral history" halten. Hier erreichen die städtisch-offiziellen Bemühungen um Versachlichung ihre Grenzen - das jahrzehntelang ungestörte kollektive Gedächtnis der Trauergemeinde wird sich davon jedoch kaum beeindrucken lassen.


Totalitarismustheorie - In der Nacht sind alle Katzen grau.


Während die offen zur Schau getragene Ignoranz oder gar Verleugnung deutscher NS-Verbrechen an Salonfähigkeit eingebüßt hat, etablierte sich im gedenkpolitischen Mainstream eine andere Form der Verharmlosung deutscher Geschichte – die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und realexistierendem Sozialismus.
Basierend auf den Annahmen der Totalitarismustheorie, die Überschneidungen zwischen Nationalsozialismus und realexistierendem Sozialismus zu bestimmen versucht, werden beide zu vielleicht nicht ganz deckungsgleichen, mindestens jedoch zu annähernd übereinstimmenden politischen Phänomenen.
Die Theorie definiert sie als Erscheinungen im Zusammenhang mit der industrialisierten Gesellschaft und im Unterschied und Gegensatz zu einer liberal-demokratischen Gesellschaftsordnung. Es wird die These aufgestellt, dass sowohl Nationalsozialismus als auch realexistierender Sozialismus gleichermaßen eine „totalitär geführte Gesellschaft“ implizieren würden und infolgedessen in diktatorische Regimes gipfeln. In einer lediglich ideengeschichtlichen und allenfalls noch die Herrschaftsform berücksichtigenden Analyse werden die konkreten historischen, sozialen und politischen Ausgangsbedingungen, genauso wie die konträren Zielsetzungen, ignoriert. Unbeachtet bleibt, dass die prekäre Lage des Proletariats im 19. und 20. Jahrhundert sehr wohl real war, die „jüdische Bedrohung der nordischen Rasse“ hingegen seit jeher eine Imagination. Auch sagt die Totalitarismustheorie nur wenig über gesellschaftliche Ursprünge des Nationalsozialismus aus, vielmehr trennt sie ihn genauso aus den historischen wie auch gegenwärtigen sozialen und politischen Strukturen heraus. Dies gipfelt im „kausalen Nexus“ des deutschen Historikers Ernst Noltes, der die nationalsozialistische Judenvernichtung als logische Konsequenz auf den sowjetischen Bolschewismus beschreibt und dabei den schamlosen Versuch unternimmt, der Shoa eine „Sinnhaltigkeit“ zu entlocken.

Er erklärt die Extreme aus sich selbst. Und so macht die Lehre vom Totalitarismus den Weg frei für eine Geschichtsrezeption, die die spezifischen Züge des Nationalsozialismus im Bild des “Europas der Diktaturen“ verschwinden lässt – der Bolschewismus wird zum ebenbürtigen Terrorsystem. Die Beantwortung der Frage nach deutscher Schuld ist nur noch mit einem gleichzeitigen Verweis auf Verbrechen von Menschen aus anderen Nationen und auf die „zahlreichen unschuldigen deutschen Opfer“ denkbar. Grenzen zwischen TäterInnen und Opfern verwischen, nicht zuletzt indem Widerstandshandlungen gegen den Nationalsozialismus delegitimiert werden. Dies geschieht einerseits durch den Hinweis auf den kommunistischen Background von Widerständigen und die beispielsweise in der stalinistischen Sowjetunion verübten Verbrechen. Oder den Widerständigen wird die Verstrickung eigener „Volksangehöriger“ in das NS-Regime vorgehalten, die es doch erst einmal aufzuarbeiten gelte. Diesem Muster folgend bleibt – ausgenommen der bürgerliche, deutsche Widerstand – keine_r übrig, die_der sich nicht auf irgendeine Art und Weise die Hände schmutzig gemacht hat, sei es durch Kollaboration mit dem NS-System oder aber durch dessen – kommunistisch motivierte – Bekämpfung.
Die politische Dimension des Widerstandes, dem es auch um die gesellschaftlichen Bedingungen von Nationalsozialismus und Faschismus ging, wird in diesen totalitarismustheoretischen Ansätzen diskreditiert. Erinnerung an den Widerstand wird entpolitisiert dargeboten und zu einem zwar emotional-bewegenden aber ansonsten weitgehend belanglosen Part in der europäischen Geschichte. Beispielhaft manifestiert sich das im sächsischen Gedenkstättengesetz. Unter dem Einfluß des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung wurde es 2003 beschlossen und darin ein unterschiedloses und analogisiertes Gedenken sowohl an die Opfer des Nationalsozialismus als auch an die der Nachkriegszeit festgeschrieben. Auf bundespolitischer Ebene wurde 2004 ein ähnlicher Gesetzesantrag von CDU/CSU aufgrund von Protesten im Vorfeld zunächst zurückgezogen. Ihm reichte schon die räumliche Überlagerung von NS-Konzentrations- und sowjetischen Internierungslagern, um einen Zusammenhang zwischen den Regimen zu konstruieren. Zudem forderte der Antrag die Aufnahme von „Opfern von Krieg und Vertreibung“ und von „zivilen Opfern der alliierten Luftangriffe“ in das nationale Gedenkstättenkonzept.

Die Funktion der Totalitarismustheorie ist offensichtlich, dem bürgerlich-kapitalistischen Staat wird eine widerspruchsfreie Geschichtsschreibung ermöglicht, welche nicht nach der Involvierung in die Bedingungen von Auschwitz und ihrem gegenwärtigen Fortbestehen fragen muss. Darüber hinaus wird Kritik, die über die bestehenden Gesellschaftsverhältnisse hinausweist, mit der Gleichsetzung von „rechts“ und „links“ und der kolportierten totalitären Wesensverwandtschaft delegitimiert. Diese Gleichsetzung setzt sich fort im Umgang mit den Auseinandersetzungen um die Interpretation historischer Ereignisse. Sei es der jährliche Volkstrauertag in Halbe, die jährlichen Nazidemos zum Todestag von Rudolf Hess oder eben der 13. Februar in Dresden. Der Naziaufmarsch in Dresden wird kurzerhand zum „Missbrauch des Gedenkens“ erklärt, während den antifaschistischen Demonstrant_innen vorgehalten wird, das Gedenken zu verhöhnen, also die andere Seite der Medaille darzustellen. Übrig bleibt ein angeblich authentischer, einzig richtiger, von jeden politischen Interessen unbelasteter Umgang mit deutscher Geschichte bzw. dem 13. Februar, den es gegen die „Extremisten von Rechts und Links“ zu verteidigen gilt.


Gegen jeden Geschichtsrevisionismus.
Deutsche TäterInnen sind keine Opfer. Nazigroßaufmarsch verhindern.
Kommt zur antifaschistischen Demonstration am 13. Februar 2007, 16 Uhr, Dr.-Külz-Ring/Altmarktgalerie in Dresden!