2007-01-17

Deconstruct!

Aufruf zu den Gegenaktivitäten gegen den Naziaufmarsch und das bürgerliche Gedenken am 13. Februar 2007 in Dresden.

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Der 13. Februar in Dresden - das ist kein Tag wie jeder andere und dies in vielfacher Hinsicht. Die verschiedenen Gedenkrituale anlässlich der Bombardierung Dresdens vom 13. / 14. Februar 1945 durch alliierte Streitkräfte haben sich mit dem 60. Jahrestag endgültig zu einer Bezugsgröße im erinnerungspolitischen Diskurs entwickelt.
Auch im Jahr 2007 wird wieder der jährliche Nazi-"Trauermarsch" stattfinden. Ihren bisherigen Höhepunkt erlebte die seit 9 Jahren stattfindende Demonstration
im Jahr 2005 mit über 6000 Nazis und ist damit der größte Aufmarsch in der Bundesrepublik.
Die Nazis beanspruchen für sich, das wahre "Gedenken" am 13. Februar zu repräsentieren und zu bewahren. Wesentlicher Unterschied zum bürgerlich-offiziellen Umgang ist die Leugnung jeder Schuld der Deutschen, die Leugnung der Shoa und die Umdeutung von Begriffen, was etwa zur Entwicklung des Ausdruckes "Bombenholocaust" geführt hat.


Gelang es im Jahr 2006 mittels einer Blockade den Naziaufmarsch zumindest zu einer Abkürzung der Route zu zwingen, so ist unser Ziel 2007 klar: die Nazis sollen keinen Meter gehen.
Die antifaschistischen Aktivitäten werden in jedem Jahr in typisch sächsischer extremismus-theoretischer Manier mit dem Naziaufmarsch gleichgesetzt.
Das Gedenken müsse gegen "Extremisten" jedweder Couleur verteidigt werden. Die Motivation, den Nazis an diesem Tage etwas entgegenzusetzen ist dann auch meist damit begrü
ndet, dass das Ansehen Dresdens beschädigt und das Gedenken missbraucht werde. Nicht aber das Stadtimage oder das Retten des Gedenkens sollte ausschlaggebend sein, sondern allein die Tatsache, dass tausende Neonazis am 13. Februar ihre menschenverachtende Ideologie auf die Straße tragen wollen.
Dies muss die Motivation sein, diesen Aufmarsch mit allen Mitteln zu verhindern – und für uns ist sie das in jedem Fall.
Auch im Jahr 2007 werden wieder die verschiedensten Gedenkveranstaltungen, Konzerte und Diskussionsrunden geboten, welche zum Großteil eine realistischere Betrachtung der geschichtlichen Ereignisse weiterhin vermissen lassen und die vielfach widerlegten Mythen rund um den 13. Februar weiter kolportieren.
Von offizieller Seite aber wird inzwischen Wert auf eine inhaltliche Abgrenzung zu den Positionen der Nazis gelegt. Die Bewertung der Ereignisse hat sich im Laufe der Auseinandersetzungen um den 60. Jahrestag verändert. Im Bild der Stadt Dresden, wie auch im Rahmen der Erinnerungspolitik der Berliner Republik ist mittlerweile eine Interpretation etabliert, welche eine deutsche Schuld explizit einräumt. Doch mit der Anerkennung deutscher Schuld geht der Ver weis auf eine gesamteuropäische Verantwortung an der Shoa einher, ebenso wie der Hinweis auf die jahrelange Beschäftigung mit der eigenen Schuld und dem Wunsch, nun endlich der "deutschen Opfer" gedenken zu dürfen. Dieser Argumentation wird sich auch in Dresden bedient, obwohl hier erst seit wenigen Jahren die Geschichte Dresdens während des NS überhaupt offiziell thematisiert wird. Stattdessen stand die Bombardierung Dresdens seit jeher im Mittelpunkt des Gedenkens. Dresden reiht sich nun selbst in eine Kette von "Terroropfern" von Guernica über Hiroshima, Bagdad bis New York – wie auf dem Plakat der Stadt Dresden 2005 zu sehen – oder in eine Reihe mit den Opfern der Shoa ein. So werden sich, wie jedes Jahr am Morgen des 13. Februar, die Vertreter_innen der Stadt, des Landes, der Parteien - inklusive der NPD - und der damaligen Alliierten zum Gedenken an die Bombardierung Dresdens an dem revisionistischen Denkmal auf dem Heidefriedhof treffen. Hier steht die Stele mit der Aufschrift Dresden im Kreis mit jenen Stelen, welche die Namen von Konzentrations- und Vernichtungslagern und die Namen der von Deutschland bombardierten Städte tragen.
Neben dieser Form des relativierenden Umgangs mit deutscher Geschichte etablierte sich eine weitere Form der Verharmlosung im gedenkpolitischen Mainstream – die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und realexistierendem Sozialismus im Zuge der Totalitarismustheorie. Beide werden als annähernd übereinstimmende politische Phänomene, in ihrer Funktionsweise identische politische Systeme konstruiert.

So schafft die Lehre vom Totalitarismus die Möglichkeit einer Geschichtsrezeption, die die spezifischen Züge des Nationalsozialismus im "Europa der Diktaturen" verschwinden lässt. Die Betrachtung deutscher Schuld ist hier nur noch mit dem gleichzeitigen Ver weis auf die Täterschaft der anderen und deren Verbrechen und auf die "zahlreichen unschuldigen deutschen Opfer" denkbar. Die Opfer der Shoa werden gleichgesetzt in einer Vermengung aller Opfer von "Gewaltherrschaft, Krieg und Terror". Praktische Umsetzung findet diese u.a. durch das Hannah-Arendt-Institut vorangetriebenen Theorie im sächsischen Gedenkstättengesetz, welches ein unterschiedloses Gedenken sowohl an die Opfer des Nationalsozialismus als auch an die der Nachkriegszeit festschreibt. Beide beschriebenen Formen des Umgangs mit Geschichte und deutscher Schuld folgen in ihrem Kern der gleichen geschichtsrevisionistischen Logik. Die Grenzen von TäterInnen und Opfern verschwimmen, denn alle waren schließlich sowohl TäterInnen als auch Opfer. Die einzelnen Besonderheiten spielen keine Rolle mehr, der Kontext verschwindet. Die Singularität Auschwitzs wird verwaschen, um eine Normalisierung im Umgang mit Deutschland zu erleichtern. Der Gleichsetzung der Opfer der Bombardierung mit Opfern der Shoa und der Stilisierung Dresdens als unschuldiges Opfer von Terror und Gewalt treten wir vehement entgegen. Wir erinnern an die Rolle Dresdens und seiner BewohnerInnen im Nationalsozialismus. Dresden taugt nicht zum Symbol des Friedens. Ebenso vehement treten wir der Einebnung der Spezifik deutscher Verbrechen, sei es durch die Totalitarismustheorie oder die Erinnerungspolitik der Berliner Republik, entgegen. Wir erinnern an die Singularität von Auschwitz, welche in der Systematik der Vernichtung von Millionen von Menschen auf der Basis einer menschenverachtenden Ideologie liegt. Wir demonstrieren am 13. Februar 2007 in Dresden, um dem aktuellen erinnerungspolitischen Diskurs etwas entgegenzusetzen und den Naziaufmarsch keinen Meter weit kommen zu lassen.

Gedenkpolitik – was nicht passt wird passend gemacht

Die offizielle Bewertung der Ereignisse im Laufe der Auseinandersetzungen um den 60. Jahrestag hat sich verändert, da diese maßgeblich von der politischen Wirksamkeit in der Berliner Republik geprägt ist. Die bereits kurz nach dem Bombardement von der NS-Propaganda gestiftete und in der DDR weitergeführte Geschichtsschreibung von der „völlig sinnlosen und brutalen Zerstörung“ der Stadt, die zudem die Ursachen des Krieges und die Opfer des Nationalsozialismus völlig ausblendete, ist mittler weile weitgehend ad absurdum geführt. Bis auf die Nazis als einzig gesellschaftlich relevante Gruppe führt heute kaum jemand diese Argumentation weiter. Im offiziellen Bild der Stadt und im Rahmen des bundespolitischen Geschichtsdiskurses ist mittlerweile eine zeitgemäßere und d.h. eben auch politisch brauchbarere Interpretation etabliert. Diese Interpretation räumt eine deutsche Schuld ein, verweist aber auf eine gesamteuropäische Verantwortung an der Shoa. So verspricht Schröder zum 60. Jahrestages des DDay: „Europa hat seine Lektion gelernt und gerade wir Deutschen werden sie nicht verdrängen.“ Sie bietet Platz für ein Gedenken an die Opfer des NS, um im gleichen Atemzug ein Gleichberechtigtes Trauern an „deutsche Opfer“ einzufordern. Die Opfer der Shoa werden in einer totalitären Vermengung aller Opfer von „Gewaltherrschaft, Krieg und Terror“gleichgesetzt. Die Singularität Auschwitzs wird verwaschen, um eine Normalisierung im Umgang mit Deutschland in Europa und dem Rest der Welt zu erleichtern.

Gedenken an die Opfer der Shoa in Dresden

In keiner anderen deutschen Stadt gab es prozentual so viele NSDAP-Mitglieder wie in Dresden.
Die erste Bücherverbrennung Nazideutschlands fand in D
resden statt; am 8. März 1933, wesentlich getragen von nationalsozialistischen Studierenden und Hochschulangehörigen.
Bis zum 1. April 1940 wurde ein Großteil der verbliebenen jüdischen Bevölkerung in 36 „Judenhäuser“ interniert und am 23. November 1942 ins „Judenlager“ Hellerberge verschleppt; damit war Dresden offiziell „judenfrei“.
Wenige Monate später, am 2. März 1943, wurden alle Bewohner_innen des „Judenlagers“ ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Bis dahin mussten die Jüd_innen in unterschiedlichen Dresdner Betrieben, vor allem für die Zeiss-Ikon A.G., Zwangsarbeit leisten, entsprechend eng war die Kooperation zwischen jenen Firmen und der Gestapo, der SS und anderen Behörden.
Die Jüd_innen und ihr Leiden waren durchaus wahrnehmbarer Teil des wirtschaftlichen und sozialen Lebens der Stadt. So wurden die jüdischen Menschen, ehe ihnen ab dem 1. Mai 1942 die Ben
utzung von Verkehrsmitteln untersagt wurde, mit einer gelb gestrichenen „Judenbahn“ zu den Orten ihrer Zwangsarbeit gebracht. Dies rief, wie sich die Überlebende Henny Brenner erinnert, wiederum den Unmut der „arischen“ DresdnerInnen her vor, da sie diese Bahn nicht nutzen konnten und einige Minuten länger warten mussten. „Wenn wir eingestiegen sind, haben sie uns bedroht und beschimpft, als ob wir uns eine eigene Bahn bestellt hätten.
Insgesamt sind über 200 Zwangsarbeitslager der NS-Zeit in Dresden belegt, darunter das er wähnte „Judenlager“ Hellerberge 1942-43, mehrere KZ-Außenlager 1944-45 und zahlreiche weitere, nicht wenige mit zynischen Bezeichnungen wie „Ausländerkinderpflegestätte“ oder „Reichsbahnwohnlager“.
In Dresden ist all dies fast unbekannt. Erst in den letzten Jahren konnte die Öffentlichkeitsarbeit der Jüdischen Gemeinde und der Christlich Jüdischen Zusammenarbeit Gehör finden. Auch in Publikationen und Veranstaltungen zu und über jene Zeit wird der Kontext, die nationalsozialistische Gesellschaft, als auch die Opfer des NS heute regelmäßig erwähnt. Mittlerweile gibt es eine Gedenktafel für die Internierten des „Judenlagers“. Allerdings sehr dezent; wer sie nicht kennt oder nicht sehen will, kann und wird sie übersehen - die Opfer des NS kommen in der Erinnerung noch immer nur sehr marginal vor.
Im Dresdner Gedenkdiskurs liegt der Fokus seit jeher auf der Bombardierung durch die Alliier ten. Nur wer ins Konstrukt passt, die_der wird auch erinnert. Der überlebende jüdische Dresdner Victor Klemperer etwa war von Anfang an im Diskurs präsent. Er ist zum einen als
intellektueller Dresdner seit spätestens 1920 eine wichtige Figur in der kulturellen und wissenschaftlichen High Society und kann als Repräsentant des „Alten Dresden“ vor der Zerstörung dargestellt werden. Zum anderen war er Opfer, nicht Täter des NS; eine Position, die besonders gemäß der DDR-Doktrin der überwiegenden Mehrheit der Deutschen zugeschrieben wurde. Einige wenige weitere Repräsentant_innen der NS-Opfer kamen in den letzten Jahren hinzu - dem gegenüber steht allerdings eine neue Hochkonjunktur von Dresden-Büchern, -Filmen und -Merchandising in neuem, gesamtdeutschen Kontext.“

Mythos Dresden – gestern und heute

Bevor der klassische Dresden Mythos ab Ende der 1990er Jahre zumindest in Frage gestellt wurde, war in der offiziellen deutschen Geschichtsschreibung, sowohl in Ost als auch in West, weitgehend die bereits beschriebene Ansicht verbreitet, der Angriff auf Dresden sei illegitim gewesen, da der Krieg fast vorbei war.
Diese ursprünglich nationalsozialistische Interpretation war maßgeblich für das Entstehen des Symbols „Dresden“ als zentrale Chiffre für deutsches Leid im zweiten Weltkrieg.
Solche Geschichtsschreibung war und ist revisionistisch, verharmlost sie doch die kausale Schuld der Deutschen am Ausbruch des zweiten Weltkrieges, in dessen Rahmen es notwendig war, auch deutsche Städte zu zerstören um die nationalsozialistische Kriegsmaschinerie zu schwächen. Ebenso verdrängt diese Sicht die Opfer der deutschen Vernichtung, der zum Zeitpunkt der Bombardierung Dresdens mehrere Millionen Menschen zum Opfer gefallen waren. Zudem wurde in diesem Zusammenhang „Dresden“ in einem Atemzug mit „Auschwitz“ genannt bzw. TäterInnen mit Opfern gleichgesetzt und damit der organisierte antisemitische Massenmord der Deutschen relativiert.

Trotz der historischen Fakten war ein einseitiges Gedenken an die Bombardierung, wie es in Dresden über Jahre praktiziert wurde, widerspruchsfrei möglich. Auch heute steht die Bombardierung im Geschichtsdiskurs der Stadt Dresden an erster Stelle, auch wenn es eine sachlichere Betrachtung der Fakten gibt.
So zum Beispiel im Begleittext zur Ausstellung „Mythos Dresden“, die anlässlich der 800 Jahr Feier 2006 konzipiert wurde: „Die Bombardierung Dresdens am 13. und 14. Februar 1945 markiert eine Etappe auf dem Sieg der Alliierten über Nazieutschland. Der Luftangriff brachte mit rund 30.000 Toten unermessliches Leid über die Dresdner Bevölkerung.“ (...) „Die Bomben der Briten und Amerikaner trafen unschuldige Menschen, aber keine „unschuldige Stadt“. Wie in anderen deutschen Städten wurden auch in Dresden jüdische Mitbürger verfolgt, Bücher verbrannt und moderne Kunstwerke als „entartet“ verhöhnt. Wegen ihrer geografischen Lage war die Stadt Drehkreuz des Bahnverkehrs und zahlreiche Dresdner Fabriken stellten kriegswichtige Produkte her. Doch schon die Nazis sprachen von der „völlig sinnlosen Zerstörung der unschuldigen Stadt“ und konstruierten damit einen Mythos, der sich bis heute beharrlich gehalten hat.

Mit der Vorstellung von der "sinnlosen Zerstörung" können sich auch weiterhin die Legenden um die angebliche Tieffliegerangriffe und Phosphorbombeneinsätze, sowie die militärisch-wirtschaftlich unbedeutende Kulturstadt in der Dresdner "oral history" halten. Hier erreichen die städtisch-offiziellen Bemühungen um Versachlichung ihre Grenzen - das jahrzehntelang ungestörte kollektive Gedächtnis der Trauergemeinde wird sich davon jedoch kaum beeindrucken lassen.


Totalitarismustheorie - In der Nacht sind alle Katzen grau.


Während die offen zur Schau getragene Ignoranz oder gar Verleugnung deutscher NS-Verbrechen an Salonfähigkeit eingebüßt hat, etablierte sich im gedenkpolitischen Mainstream eine andere Form der Verharmlosung deutscher Geschichte – die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und realexistierendem Sozialismus.
Basierend auf den Annahmen der Totalitarismustheorie, die Überschneidungen zwischen Nationalsozialismus und realexistierendem Sozialismus zu bestimmen versucht, werden beide zu vielleicht nicht ganz deckungsgleichen, mindestens jedoch zu annähernd übereinstimmenden politischen Phänomenen.
Die Theorie definiert sie als Erscheinungen im Zusammenhang mit der industrialisierten Gesellschaft und im Unterschied und Gegensatz zu einer liberal-demokratischen Gesellschaftsordnung. Es wird die These aufgestellt, dass sowohl Nationalsozialismus als auch realexistierender Sozialismus gleichermaßen eine „totalitär geführte Gesellschaft“ implizieren würden und infolgedessen in diktatorische Regimes gipfeln. In einer lediglich ideengeschichtlichen und allenfalls noch die Herrschaftsform berücksichtigenden Analyse werden die konkreten historischen, sozialen und politischen Ausgangsbedingungen, genauso wie die konträren Zielsetzungen, ignoriert. Unbeachtet bleibt, dass die prekäre Lage des Proletariats im 19. und 20. Jahrhundert sehr wohl real war, die „jüdische Bedrohung der nordischen Rasse“ hingegen seit jeher eine Imagination. Auch sagt die Totalitarismustheorie nur wenig über gesellschaftliche Ursprünge des Nationalsozialismus aus, vielmehr trennt sie ihn genauso aus den historischen wie auch gegenwärtigen sozialen und politischen Strukturen heraus. Dies gipfelt im „kausalen Nexus“ des deutschen Historikers Ernst Noltes, der die nationalsozialistische Judenvernichtung als logische Konsequenz auf den sowjetischen Bolschewismus beschreibt und dabei den schamlosen Versuch unternimmt, der Shoa eine „Sinnhaltigkeit“ zu entlocken.

Er erklärt die Extreme aus sich selbst. Und so macht die Lehre vom Totalitarismus den Weg frei für eine Geschichtsrezeption, die die spezifischen Züge des Nationalsozialismus im Bild des “Europas der Diktaturen“ verschwinden lässt – der Bolschewismus wird zum ebenbürtigen Terrorsystem. Die Beantwortung der Frage nach deutscher Schuld ist nur noch mit einem gleichzeitigen Verweis auf Verbrechen von Menschen aus anderen Nationen und auf die „zahlreichen unschuldigen deutschen Opfer“ denkbar. Grenzen zwischen TäterInnen und Opfern verwischen, nicht zuletzt indem Widerstandshandlungen gegen den Nationalsozialismus delegitimiert werden. Dies geschieht einerseits durch den Hinweis auf den kommunistischen Background von Widerständigen und die beispielsweise in der stalinistischen Sowjetunion verübten Verbrechen. Oder den Widerständigen wird die Verstrickung eigener „Volksangehöriger“ in das NS-Regime vorgehalten, die es doch erst einmal aufzuarbeiten gelte. Diesem Muster folgend bleibt – ausgenommen der bürgerliche, deutsche Widerstand – keine_r übrig, die_der sich nicht auf irgendeine Art und Weise die Hände schmutzig gemacht hat, sei es durch Kollaboration mit dem NS-System oder aber durch dessen – kommunistisch motivierte – Bekämpfung.
Die politische Dimension des Widerstandes, dem es auch um die gesellschaftlichen Bedingungen von Nationalsozialismus und Faschismus ging, wird in diesen totalitarismustheoretischen Ansätzen diskreditiert. Erinnerung an den Widerstand wird entpolitisiert dargeboten und zu einem zwar emotional-bewegenden aber ansonsten weitgehend belanglosen Part in der europäischen Geschichte. Beispielhaft manifestiert sich das im sächsischen Gedenkstättengesetz. Unter dem Einfluß des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung wurde es 2003 beschlossen und darin ein unterschiedloses und analogisiertes Gedenken sowohl an die Opfer des Nationalsozialismus als auch an die der Nachkriegszeit festgeschrieben. Auf bundespolitischer Ebene wurde 2004 ein ähnlicher Gesetzesantrag von CDU/CSU aufgrund von Protesten im Vorfeld zunächst zurückgezogen. Ihm reichte schon die räumliche Überlagerung von NS-Konzentrations- und sowjetischen Internierungslagern, um einen Zusammenhang zwischen den Regimen zu konstruieren. Zudem forderte der Antrag die Aufnahme von „Opfern von Krieg und Vertreibung“ und von „zivilen Opfern der alliierten Luftangriffe“ in das nationale Gedenkstättenkonzept.

Die Funktion der Totalitarismustheorie ist offensichtlich, dem bürgerlich-kapitalistischen Staat wird eine widerspruchsfreie Geschichtsschreibung ermöglicht, welche nicht nach der Involvierung in die Bedingungen von Auschwitz und ihrem gegenwärtigen Fortbestehen fragen muss. Darüber hinaus wird Kritik, die über die bestehenden Gesellschaftsverhältnisse hinausweist, mit der Gleichsetzung von „rechts“ und „links“ und der kolportierten totalitären Wesensverwandtschaft delegitimiert. Diese Gleichsetzung setzt sich fort im Umgang mit den Auseinandersetzungen um die Interpretation historischer Ereignisse. Sei es der jährliche Volkstrauertag in Halbe, die jährlichen Nazidemos zum Todestag von Rudolf Hess oder eben der 13. Februar in Dresden. Der Naziaufmarsch in Dresden wird kurzerhand zum „Missbrauch des Gedenkens“ erklärt, während den antifaschistischen Demonstrant_innen vorgehalten wird, das Gedenken zu verhöhnen, also die andere Seite der Medaille darzustellen. Übrig bleibt ein angeblich authentischer, einzig richtiger, von jeden politischen Interessen unbelasteter Umgang mit deutscher Geschichte bzw. dem 13. Februar, den es gegen die „Extremisten von Rechts und Links“ zu verteidigen gilt.


Gegen jeden Geschichtsrevisionismus.
Deutsche TäterInnen sind keine Opfer. Nazigroßaufmarsch verhindern.
Kommt zur antifaschistischen Demonstration am 13. Februar 2007, 16 Uhr, Dr.-Külz-Ring/Altmarktgalerie in Dresden!