2007-08-22

Zähne zeigt, wer`s Maul aufmacht... Mügelner Presseschau

  • Ein offensichtlich angetrunkener Mann im grünen Arbeitsoverall hebt den Arm kurz grinsend zum Hitler-Gruß. Von den Demonstranten bekommt es niemand mit. "Was wissen die denn schon, die waren doch gar nicht dabei", ereifert sich der Mann neben ihm - auch ihn hüllt eine Alkoholfahne ein.
    Nach einer Dreiviertelstunde ist der Spuk wieder vorbei. Der Protestzug endet friedlich am Parkplatz, wo die Fahrzeuge der meist Jugendlichen stehen. Rund um den Marktplatz ist eigentlich wieder Ruhe eingekehrt, als sich ein Mann im blau-roten Jogginganzug und eine Frau - offensichtlich Einheimische - quer über die Straße anschreien. "Halt Dein Maul", brüllt die Frau. Er schreit zurück: "Du hängst doch genauso mit drin!" Sie: "Du Nazi-Schwein!"


  • Die aktuellen Vorgänge in Mügeln sind kein Zufall. Wir erleben zunehmend eine Verharmlosung der neofaschistischen Stoßtrupps in den Medien. Das beginnt schon mit der Begriffsbestimmung, dass sie in erster Linie als "ausländerfeindlich" und "rassistisch" charakterisiert werden. Unsere eigene Geschichte hat uns ihren wahren Auftrag für die herrschenden Monopole vor Augen geführt: Nämlich, dass sie in Zeiten, wenn die Massen nicht mehr mit Betrug niedergehalten werden können, mit offenem Terror gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung und den aktiven Volkswiderstand eingesetzt werden.


  • IHK-Hauptgeschäftsführer Hofmann warnte vor den Imageschäden, sollte man die in regelmäßigen Abständen auftretenden fremdenfeindlichen Übergriffe nicht endlich in den Griff bekommen: „Das betrifft ausländische Investoren, die sich bereits hier engagieren und auch potenzielle Investoren, die sich noch für einen zukünftigen Standort entscheiden“, sagte Hofmann. Detlef Hamann, Hauptgeschäftsführer der IHK Dresden, räumte ein: „Im Zuge einer aktiven Ansiedlungspolitik bleibt es natürlich nicht aus, dass rechtsradikale oder ausländerfeindliche Überfälle von ausländischen Unternehmen bereits in ersten Sondierungsgesprächen angesprochen werden.“


  • Organisierte Rechtsradikale gebe es in seiner Gemeinde aber nicht, sagte Deuse.


  • Angela Merkel nannte den Vorfall von Mügeln "außerordentlich betrüblich und beschämend".


  • Bürgermeister Deuse selbst sagte der "Financial Times Deutschland" mit Blick auf die ausländerfeindlichen Sprüche: "Solche Parolen können jedem mal über die Lippen kommen."


  • Bisher sei auch noch unklar, ob die Schaulustigen zustimmend applaudiert "oder einfach nicht eingegriffen" hätten. "Fakt ist: Der Alkohol hat um diese Zeit eine Rolle gespielt - und außerdem war plötzlich mal was los", sagte Böttcher.


  • „Menschen mit dunkler Hautfarbe haben in Ostdeutschland ein um ein vielfach höheres Risiko, Opfer eines Übergriffs zu werden, als in West­deutschland”, sagte der Vorsitzende des Bundestags- Innenausschus­ses, Sebastian Edathy (SPD), der „Berliner Zeitung”.


  • "Mügeln hat dieses Negativ-Image nicht verdient. Wir feiern gern - mit allen", sagt der Bürgermeister.
    (...)
    "Da haben sich eben einige Deutsche in landsmannschaftlicher Verbundenheit zusammengetan", lässt sich ein Mügelner mittleren Alters vernehmen und fügt hinzu: "Sie wollen doch nur schreiben, dass in Mügeln alle rechtsradikal sind!"

    Daneben steht ein etwa 25-jähriger junger Mann mit Bärtchen und kleinem Bauch, der dazu eifrig nickt - aber nur, um sich gleich darauf ausdrücklich als Rechtsradikaler zu bekennen. Ja, er sei dabei gewesen und habe vor der Pizzeria auch ausländerfeindliche Parolen gerufen, nachdem "zwei von uns" schwer verletzt worden waren. "Die sollen ihr Leben leben, die Kanaken, und uns in Ruhe lassen."
    (...)
    Bürgermeister Deuse wiegelt ab: "Es kann auf jedem Volksfest mal so etwas geben, und Mügeln hat es eben mal getroffen."


  • Deuse sagte, die Leute sollten ungezwungen und unbeobachtet feiern können. Er gehe davon aus, dass es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe. Auch die indischen Textilhändler würden keinen Polizeischutz bekommen, wenn sie wieder auf dem Markt stehen, kündigte der Bürgermeister an.


  • Überfälle auf Ausländer hätten sich in diesem Sommer bei Volksfesten in der Region massiv gehäuft.


  • „Größere Auffälligkeiten gab es vielleicht nicht, Sympathisanten und Mitläufer aber schon - wie überall. Um das zu sehen, muss man nur mit offenen Augen durch die Stadt gehen“, sagt eine Mügelnerin. Ihren Namen nennt sie aus Angst nicht. Aber da seien die Jugendlichen, die aus Langeweile - „Jugendklubs hier haben keinen guten Ruf“ - auf dem Markt Bier trinken. Da wurde ein kolumbianischer Gastschüler beschimpft, streckte man den zweimal wöchentlich kommenden indischen Händlern den Mittelfinger hin oder spuckte verächtlich vor ihnen aus.

    Latente Ausländerfeindlichkeit, an die sich Männer wie Kulvir Singh gewöhnt haben. „Das waren bisher Kleinigkeiten“, sagt der Inder, der sein geschwollenes blaues Auge unter einer Sonnenbrille versteckt.


  • Edathy sagte gerade Sachsen sei „bekannt dafür, dass es die Existenz des Rechtsextremismus gern abstreitet. Dieses Stadium müsste inzwischen überwunden sein.“ Bürgermeister Deuse könne unmöglich für alle Einwohner seines Städtchens bürgen: „Dafür habe ich absolut kein Verständnis. Es ist noch nie ein Problem dadurch gelöst worden, dass man seine Existenz bestreitet“


  • "Je schlechter der Ruf Deutschlands ist, umso weniger werden die Leute, die wir brauchen können für unseren Fortschritt und Wohlstand, kommen", sagte Thierse der "Berliner Zeitung".


  • «Es wird von allen Seiten negiert, dass es eine solche Szene gibt, aber die gibt es», sagte ein namentlich nicht genannter Unternehmer am Dienstag in einem ddp-Gespräch. Nach außen hin werde dieses Problem in Mügeln schöngeredet - auch vom Stadtoberhaupt. Auch ein anderer ehemaliger Einwohner Mügelns warnte in einem ddp-Gespräch vor der rechten Gefahr in der Kleinstadt. «Das ist hier ein ständiges Problem. Aus dem Grund bin ich vor über zehn Jahren aus Mügeln weggezogen», berichtete der 35-Jährige. Sein Bruder sei vor Jahren auf einem Stadtfest von einer Gruppe Männer verprügelt worden, die ganz offensichtlich dieser Szene angehört hätten.


  • Er könne zwar verstehen, dass einige Angst hätten, sagt Deuse. Dennoch rufe er alle Bürger auf, sich bei der Polizei zu melden, sollten sie etwas gesehen haben.

    Ein Appell, der bei einigen einstweilen ungehört verhallt. "Das ist mir doch egal", erregt sich eine Mittvierzigerin auf dem Marktplatz. "Sollen die sich doch die Köppe einschlagen. Damit hab' ich nichts zu tun." Ihr Gesprächspartner im blauen Jogginganzug nickt eifrig. Ein paar Meter weiter konstatiert ein junger Mann mit Baseball-Cap und Freundin im Arm: "Das wird total aufgebauscht." Und die Blumenverkäuferin schimpft mit einer Kundin: "Es gibt so viele wichtige Dinge auf der Welt. Dass da jetzt so ein Theater gemacht wird."
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