2006-04-30

Paul Spiegel ist gestorben

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland ist tot. Paul Spiegel starb nach langer, schwerer Krankheit am frühen Morgen des 30. April 2006 in Düsseldorf. Er wurde 68 Jahre alt.

Paul Spiegel wurde am 31. Dezember 1937 im westfälischen Warendorf geboren.

Die traumatischen Kindheitserlebnisse von nationalsozialistischer Verfolgung und Krieg schärften das politische Bewusstsein des jungen Paul Spiegel frühzeitig.

Die Wiedergeburt jüdischen Lebens im Nachkriegsdeutschland verdankte sich einem besonderen gesellschaftspolitischen Engagement der jüdischen Bevölkerung, deren Mitglieder sich mit einer ausgeprägten jüdischen Identität dennoch als Deutsche kritisch in den Wiederaufbauprozess der Bundesrepublik einbrachten.

Ausdruck dieser Bewusstseinslage war das frühzeitige Engagement Spiegels für die jüdische Gemeinschaft. 1958 begann er ein Volontariat bei der “Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung” in Düsseldorf, bei der er anschließend bis 1965 auch als Redakteur arbeitete.

Überdies schrieb Spiegel in den 1960er Jahren als Korrespondent für verschiedene Presseorgane, zu denen etwa zählten: Montrealer Nachrichten, Nieuw Israelietisch Weekblad (Amsterdam), Neue Welt (Wien), Jüdische Rundschau Maccabi (Basel), Der Mittag (Düsseldorf), Neue Rhein-Zeitung (Düsseldorf) und Westfälische Rundschau (Düsseldorf).

1964 heiratete Spiegel Gisèle Spatz, mit der er zwei Töchter hat. Drei Jahre später wurde er in den jüdischen Gemeinderat in Düsseldorf gewählt.

Von 1965 bis 1972 engagierte er sich als Redakteur des jüdischen Pressedienstes und als Assistent des Generalsekretärs des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Dachorganisation der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik.

In der Folge war Spiegel 1973/74 als Chefredakteur der Zeitschrift “Mode & Wohnen” (Düsseldorf) und 1974-1986 als leitender Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes tätig.

1984 berief man Spiegel in den Vorsitz des Gemeinderats der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf. Zwei Jahre später gründete er eine internationale Künstleragentur, die seinen Namen trägt. Über die Förderung internationaler Künstler hinaus betätigte er sich durch seine Mitgliedschaft im “Verein gegen Vergessen - für Demokratie” und als Vorsitzender der Stiftung “Bürger für Bürger” auch stark im gesellschaftspolitischen Bereich.

1989-2000 engagierte sich Spiegel zudem als Vorsitzender der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Der anerkannte Journalist trat 1991 in den Rundfunkrat und in den Programmausschuss des WDR ein.

Ab 1993 nahm Spiegel im Zentralrat der Juden in Deutschland unter dem Vorsitz von Ignatz Bubis das Amt des Vizepräsidenten wahr. 1995 wurde er zum Vorsitzenden des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen berufen.

Nach dem Tod Bubis` im August 1999 folgte ihm Spiegel 2000 als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland nach. Als oberster Repräsentant der jüdischen Bevölkerung in Deutschland tat er sich - ganz in Kontinuität zu seinen Vorgängern Heinz Galinski und Ignatz Bubis - als kritischer Mahner gegenüber den neuerlichen fremdenfeindlichen und antisemitischen Phänomenen im wiedervereinigten Deutschland hervor.

Die dabei geäußerte besondere Sensibilität gegenüber unverantwortlichen Umgangsweisen mit der Geschichte veranlasste den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland im Frühjahr 2002 zu einer unmissverständlichen Stellungnahme in dem durch den FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann ausgelösten “Antisemitismus-Streit”: Paul Spiegel stellte sich hinter den persönlich angegriffenen Vizepräsidenten des Zentralrats, Michel Friedman, und machte damit deutlich, dass die Ursache des Konflikts nicht in persönlichen Animositäten zwischen beiden Kontrahenten, sondern in einem politisch verantwortungslosen, wahlkampfstrategischen Manöver der FDP zu suchen seien.

Paul Spiegel erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen (1993), das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (1997), die Ehrenbürgerschaft der Stadt Warendorf (2000) und den Heinrich-Albertz-Preis (2001).

Ende Oktober 2003 veröffentlichte Spiegel sein Buch "Was ist koscher? Jüdischer Glaube - jüdisches Leben", mit dem der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland zur breitenwirksamen Aufklärung über das Judentum beitragen möchte.