2008-11-28

Kommunismus als Stahlbad

„Warum ich für den Kommunismus bin? Damit Tiefkühltruhen wieder für Lebensmittel verwendet werden!“
Wie war das noch mit dem Verhältnis von Produktivkräften im Kapitalismus?
Und wie viele „Derrmosgannen“ Softeis kann man für einen Euro kaufen?"
Solche und andere Fragen bewegen die Dresdner Nationalbolschewisten der Gruppe „Veritas“ und ihren Protagonisten Hans-Jürgen Westphal.
Der 57-jährige ist seit über zehn Jahren in der kommunistischen Propagandaarbeit beschäftigt wo er, mit roter Fahne bewaffnet, zunächst die Parteizeitung einer der, nach 1990 wiedergegründeten „KPD`s“ und eigene Literatur verkauft. Er selbst wurde später aus der eben jener „KPD“ ausgeschlossen, was ihn jedoch nicht davon abhielt weiter Werbung in eigener, aber vor allem für die „die Sache“ des Kommunismus, natürlich in den Farben der DDR, zu betreiben. Westphal schreibt eigene Geschichten und macht mit seinen GenossInnen „kommunistische Kunst“, das heißt vor allem Coversongs traditionellen, deutschen, Arbeiterliedgutes und eigene Kompositionen über die Liebe zu Heimat, also der DDR, das Vaterland und den nie enden wollenden Kampf gegen die „Bourgeoisie“
Westphal kann als „Dresdner Original“ mit Wiedererkennungseffekt bezeichnet werden, hat er doch mittlerweile einige Bekanntheit erreicht, so wie etwa der „Drehorgelspieler“ Jochen Schalk, der Dresdner „Christstollen“ oder das „Brückenmännchen“.

Gleichwohl steht Westphal, seine Gruppe und ihre Propaganda für die fürchterliche, ostdeutsche Symbiose aus Ablehnung der Moderne und des Westens, offensiven Liebesbekenntnissen zur Natur, Heimat und Vergangenheit, sowie dem damit verbundenen sozialem und geistigem Abstieg. 
Vor allem letzteres kann sehr schön im Youtube Channel „veritas dresden“ betrachtet werden.
Hier finden sich videographische Köstlichkeiten der Gruppe z.B. ein Lied über den „Sieg des Kommunismus“ dargestellt vor der Dresdner Semperoper, „junge Welt - Die beste Tageszeitung der BRD“, sowie die mehrteilige Gruppengesprächssimulation „Warum für den Kommunismus“ aus der obige Zitate stammen.
So nah waren sich Komik und Tragödie selten.


Vaterland


Warum für den Kommunismus? Teil1


Sieg des Kommunismus

2008-11-06

Continuité et cassures

In Dresden Orte zu finden die an die nationalsozialistische Vergangenheit der Stadt und die Verfolgung und Vertreibung der JüdInnen erinnern ist ein schwieriges Unterfangen.
Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine Denkmäler oder bekannte und erkennbare „Orte der Erinnerung“. Die wenige die es gibt sind oft erst nach 1989 auf Initiative Weniger entstanden.
Zudem sind die Zeugnisse der nationalsozialistischen Herrschaft bzw. deren Entstehung und Herkunft in Dresden kaum im öffentlichen Bewusstsein bekannt.

Allgegenwärtig sind dagegen Reklametafeln für eine Vorführung des Filmes „Dresden wie es einst war“. Dabei handelt es sich um historische Filmaufnahmen Dresdens vor der Bombardierung 1945 aus den 1930er Jahren, die jedoch die „schöne Vergangenheit“ Dresdens zeigen sollen.



Dies ist exemplarisch für den Umgang mit der Vergangenheit in dieser Stadt und Ausdruck der postnazistischen Kontinuität die im wesentlichen durch die kaum veränderte Erzählung der Opfergeschichte des „13.Februar“ das öffentliche Bewusstsein prägt.
Veränderung hat in dieser Beziehung in den letzten Jahren nur teilweise stattgefunden. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sowie eine Kenntlichmachungvon Erinnerungsorten und Zeugnisstätten des Nationalsozialismus blieb dabei im wesentlichen einzelnen Initiativen (wie z.B. dem Verein Hatikva) und interessierten Einzelpersonen vorbehalten.

Im September erschien etwa der „Historische Reiseführer 1933-1945“ von Hartmut Ellrich der sehr umfassend die Orte nationalsozialistischer Verfolgung und Herrschaft benennt und beschreibt. Darin ist etwa zu erfahren, das ganze, nach nationalsozialistischem Vorbild gestaltete Plätze, wie das Königsufer heute noch erhalten sind.  (Siehe hierzu auch die Beschreibung unter diesem Link und den dazugehörigen Seiten.)

Das dies kein „Tabu“ mehr darstellt hat auch damit zu tun, das es in Dresden nunmehr zum guten Ton gehört auf die „Vorgeschichte“ des „13. Februar“ zu verweisen, um dann um so vehementer das Gedenken an die Bombardierung einzufordern.
Gleichwohl ist den, aktiv an der Geschichte des Nationalsozialismus und der antisemitischen Verfolgung Interessierten, diese Rolle weitestgehend überlassen und sie finden kaum Beachtung, da der gute Ton eben die Musik macht, aber sonst kaum ernst gemeint ist.
So darf 2008 im Lokalblatt „Sächsische Zeitung“ folgendes erscheinen, was früher höchstens von der Antifa formuliert wurde:

Es ist ein Band voller Überraschungen, selbst für Kenner der Stadthistorie. In die Kapitel „Innenstadt“, „Außenbezirke“ und „Umland“ unterteilt, führt der Führer mit zahllosen Bildern und Texten die Leser auf die teils heute noch sichtbaren Spuren der Stadtgeschichte zur NS-Zeit.
An Orte mit hinlänglich bekannter Vergangenheit wie das Hygienemuseum, den früheren „Adolf-Hitler-“ und heutigen „Theaterplatz“, zum ehemaligen „Judenhaus“ an der Bautzener Straße. Aber auch an Stellen, deren einstige Nutzung heute kaum noch bekannt ist: zum Studentenwohnheim Güntzstraße, vormals Sammellager für Juden. Ans Königsufer, früher Massenaufmarschplatz. Zum Goehle-Werk, dessen Hochbunker noch stehen. Zum Schloss Hirschstein, wo Belgiens Königsfamilie interniert wurde.

Eine spannende und erhellende Lektüre, die neugierig macht, die Vergangenheit der Stadt neu zu entdecken. Ohne Schaum, aber auch ohne Blatt vorm Mund geschrieben.

Die Kapitel über die intensive rüstungsindustrielle und militärische Nutzung zahlloser Objekte wie Taschenbergpalais und Albertinum, das geplante Gauforum, die Frauenkirche als Dom der NS-hörigen Deutschen Christen; das alles trägt dazu bei, einen hier leider immer noch wirksamen Mythos zu zerstören.
„Dresden war keine unschuldige Kunst- und Kulturstadt“, sagt Hartmut Ellrich. Und, mit einem Lächeln: „Ich hoffe, dass ich nun nicht aus der Stadt gejagt werde.“
Tatsächlich werden Autoren wie Ellrich nicht aus der Stadt gejagt was vor einigen Jahren wahrscheinlich eine berechtigte Sorge gewesen wäre. Stattdessen werden sie heute im wesentlichen ignoriert.



Es gibt in der Tat nur zwei Möglichkeiten: Eine endgültige Versöhnung mit dieser Vergangenheit oder aber der konstante, d.h. in fortwährender Auseinandersetzung zu vollziehende Bruch mit ihr.
Moshe Postone, 1985

Anlässlich des 70. Jahrestages der Pogrome des 09. November 1938 ist ein vergleichbares, sehr interessantes Projekt "audioscript" vorgestellt wurden.
Dabei handelt es sich um ein dutzend Audiobeiträge, anhand derer Orte nationalsozialistischer Verfolgung in Dresden erkundet werden können. Das Konzept und die Beiträge sind in einjähriger Arbeit entstanden.


Die Projektgruppe schreibt hierzu:
Das audioscript zur Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Dresden 1933-1945 ermöglicht in 13 Tracks eine Auseinandersetzung mit (stadt-)historischen, philosophischen und künstlerischen Diskursen zur Shoa. Die Hörenden erwartet ein Stadtrundgang zu exemplarischen Orten der antisemitischen Verfolgung in Nationalsozialismus und deren gegenwärtiger Rezeption. (...)

Immer wird die Geschichte des einzelnen Ortes und der dort stattgefundenen Verbrechen aufgezeigt. Über den konkreten Ort hinaus dienen zwei Koordinaten der Auseinandersetzung: Das individuelle Erleiden wird durch autobiographisches Material der Überlebenden entgegen des hiesigen hegemonialen Geschichtsdiskurses stark gemacht. Das Erlittene korrenspondiert mit Zitaten einer kritischen Theorie, die Auschwitz nicht historisiert, sondern als Zivilisationsbruch markiert und zum Ausgangspunkt jeder philosophischen Überlegung macht.
"
Die Reihenfolge und der Weg der Führung lassen sich individuell gestalten und führen von der neuen Synagoge, zu ehemaligen „Judenhäusern“, der „SS-Mullah Schule“ sowie an Orte von Zwangsarbeit, der Todesmärsche und zum „Judenlager Hellerberg“.

Die Tracks und ein Stadtplan lassen sich auf der website des Projektes audioscript downloaden.