2008-03-26

„Rebeccas“ Entnazifizierung

Ein Leser der Onlineausgabe der "Jungen Freiheit" glaubt an eine Inszenierung des Skandals in der TV Show "Big Brother" und wähnt eine Verschwörung derer, denen „es nur darum“ (geht) „der Allgemeinheit vorzuführen, wie man Leute medienwirksam ächtet, wenn man auch nur den geringsten Anschein erweckt, ein Wort mit Bezug auf die NS-Zeit zu erwähnen.
So sehr der Bauchredner der ewig „Verfolgten“ hier eine Verschwörung gegen die Deutschen in ihrer Gesamtheit vermutet, so falsch liegt er natürlich. Immerhin muss er sich die Gesellschaft als großes Big Brother Haus vorstellen, in der „Hintermänner“ und „Drahtzieher“ das Geschehen bestimmen und dann auch noch wegen eines gänzlich unverkrampften „Sieg Heils“ die Kollektivstrafe exekutieren.
Dabei führte RTL 2 nur sehr schön vor, wie „Erinnerungskultur“ und „Auseinandersetzung mit der Geschichte“ auf deutsch gesprochen wird.

Der Plot ist banal. Die Hausbewohnerin „Rebecca“ ruft an einem der unzähligen ätzend langweiligen Abende im Big Brother Haus „Sieg Heil“ in die WG Küche und fliegt dafür, völlig zu Recht, kurz danach aus der Sendung.
Doch statt es dabei zu belassen lädt der Sender in der folgenden Woche den Auschwitz Überlebenden Werner Bab und den Geschichtsdidakt und Medienwissenschaftler Siegfried Quandt ins Studio um „Rebecca“ und der TV Gemeinde eine Lehrstunde in deutscher Geschichte zu verpassen.
Beide wurden bereits mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Bab für sein Engagement für „Toleranz, Demokratie und Völkerverständigung“, Quandt für seine Arbeit in „Wissenschaft, Medien und Wirtschaft“, aber im besonderen für sein „Engagement in der Journalistenausbildung“. Der eine erzählt, während der andere über „ihn“ schreibt.
Werner Bab überlebte Auschwitz und Mauthausen und, so wird kolportiert, kehrte er dennoch 1958 nach Deutschland zurück, fühlte er sich doch als „Deutscher“.

Quandt gehört zu dem Kreis der Geschichtenerzähler die, die Zeitgeschichte den Deutschen TV-gerecht nahe bringen. Unter anderem arbeitet Quandt als Berater für zeitgeschichtliche Sendungen für das ZDF und verantwortet damit, in seiner Zusammenarbeit mit Guido Knopp eine Reihe von dessen Sendungen über Hitlers „Helfer“, „Krieger“ und „Kinder“.

Ganz im Sinne Knopps und Quandts gestaltete RTL 2 den Abend als zeitgeschichtliches Infotainment gegen das Vergessen. Auch wenn es so nicht gemeint war, immerhin gibt „Rebecca“, stellvertretend für ihre Fans, die sich ihre Rückkehr ins Big Brother Haus wünschen, zu von all dem, gemeint sind die Verbrechen der Deutschen, „nichts gewusst zu haben“.
So ehrenwert die Bemühungen erscheinen karikieren sie doch die Auseinandersetzung. Ort des folgenden Gespräches ist das Holocaust Mahnmal in Berlin. „Rebecca“ schiebt Werner Bab durch die Ausstellung "Topographie des Terrors", er zeigt ihr seine Häftlingstätowierung und spricht von den erlebten Schrecken, wofür sie sich „herzlich“ bei ihm bedankt.



Link: sevenload.com

Man erzählt die individuelle Geschichte, gerade da wo es um den Verlust von Individualität geht.
Die Geschichte der deutschen Verbrechen wird in leicht konsumierbare Bilder verwandelt, die keinen Gedanken mehr einfordern, sondern Emotionen auslösen sollen. Die reale Geschichte dient nur noch als Background für die Erzählung menschlicher und menschelnder Schicksale, aus denen „Rebecca“ lernen soll das „Sieg Heil“ rufen total uncool ist.
Wenn Auschwitz, wir hier, jedoch als Schicksal, als Naturkatastrophe darstellt wird, verstellt sich der Blick auf die reale Hölle und vermeidet die Beschäftigung mit den Tätern, von denen in der Sendung tatsächlich auch nicht gesprochen wird.

Stattdessen beruft man sich auf die Lehren aus Auschwitz, für die Deutschen, und so empfiehlt der Big Brother Psychologe bei „leichtfertigen Äußerungen über die NS-Zeit zur Not auch mal zu gehen“ oder „den Mund auf zu machen“, schließlich geht es doch um eine „friedvollere Zukunft“.
Bleibt noch zu ergänzen, das die Sendung wenig Interesse in der Zielgruppe der 14- 49 Jährigen fand und die Einschaltquote gegenüber den Vorwochen um ca. 2% nach unten ging.

2008-03-21

From Dresden to Bagdad

Ein herzliches „Thank You!“ richtet folgendes Video an die SoldatInnen der US Army, dem sich voll und ganz anzuschließen ist, immerhin widmet sich die deutsche Medienlandschaft, anlässlich des fünften Jahrestages der Irak Intervention ganz der pazifistischen und antiamerikanischen Propaganda.



Fünf Jahre nach Beginn der Operation Iraqi Freedom, in deren Folge das baathistische Regime und dessen Führungsclique um Saddam Hussein gestürzt wurde, ist man sich in den deutschen Redaktionsstuben einig. Der Spiegel nennt sein Feature hierzu z.B. „Das Irak Fiasko“.
Die, sprachlich wie auch inhaltlich ganz nah am Bauchgefühl der deutschen Friedensvolksgemeinschaft befindliche, „Junge Welt“ hält unter der Überschrift: „Krieg bis zum Sieg“, fest das es den Irakis unter Saddam Hussein doch eigentlich ganz gut ging, jedenfalls „besser“ als heute.

Unisono wird George W. Bush der Lüge und des Größenwahns geziehen, während man lieber hämisch über die Rückschläge nach dem Sturz Husseins oder über angebliche Repressalien gegen die „tausenden Friedensaktivisten“ in den USA schreibt.

Jedenfalls wiederholen sich die Phrasen die man seit fünf Jahren tag ein, tag aus auswendig gelernt hat. Die us-amerikanische Intervention war auf freche „Lügen“ aufgebaut, um den Weg für die „Öl-Multis“ freizumachen, die auch noch in kolonialistischer Weise der islamischen Welt eine ihr fremde Kultur aufzwingen wollen.

Umso mehr dient die Häme gegen die aktuelle Lage im Irak und über Bushs „Illusionen“ der Kompensation der Trauer darüber das es Saddam letztlich doch erwischt hat, wie weiland die Deutschen im Bombenhagel von Dresden. Darüber hinaus bedauert man das der Einmarsch in Bagdad nicht im Blutbad für die US Army endete, welches der „irakische Widerstand“ islamischer Terrorbanden erst in den Jahren danach hundertfach anrichtete, um den Aufbau einer neuen Gesellschaft zu torpedieren.

Daran ergötzt man sich in Deutschland von NPD bis Linkspartei, von der Jungen Freiheit bis zur Jungen Welt immer noch all zu gern, ist doch jede Selbstmordbombe auf Bagdads Strassen der Beweis für die „unrechtmäßige Besatzung“ und die „Unrechtmäßigkeit“ des Krieges.
Immerhin nimmt man für sich in Anspruch ebenfalls unter dem „Bombenterror“ der USA gelitten zu haben und deswegen gegen jegliche militärische Intervention, auch gegen die schlimmsten Diktatoren wie Hussein einer war, Stellung zu beziehen.

Wie sehr sich die deutsche Erfahrung der Niederlage der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft im Bewusstsein niedergeschlagen hat zeigt sich besonders am bedeutendsten Symbol des deutschen Pazifismus, nämlich Dresden. Wenn Mitleid mit der Bevölkerung Bagdads erklärt wird, meint man Dresden und sich selbst. Wenn wider jede Vernunft den Amerikanern unterstellt wird, sie würden Kabul vernichten, Bagdad niederbrennen, Völkermord anrichten, dann redet man von deutschen Bombennächten.
So formulierte etwa Volker Braun in seiner Festrede zum 800-jährigen Stadtjubiläum unter der sinnigen Überschrift „Die dresdner Denkart“:

"Im Frühjahr 2003 flogen die US-Bomber direkt über Dresden, man sah (es war traumhaft schönes Wetter) die Kondensstreifen in Formation am Himmel und wußte, auch wenn kein Geräusch zu hören war, auch kein Geräusch in den Medien: in fünf oder sechs Stunden, in der Nacht, werden sie über Bagdad sein – wenig entfernt, nicht weit von Dresden, nein, von Dresden nicht weit fallen die Bomben auf Bagdad."
In diesem Sinne führen alljährlich die rechten Friedensfreunde bei ihren Aufmärschen zum 13. Februar zahlreiche Transparente mit die, die Linie von Dresden nach Bagdad ziehen. Das hat ebenfalls die Stadt Dresden im Jahr 2005 geschafft, in dem sie Dresden 1945 mit Bagdad in eine Reihe stellte. Gemäß dem deutschen Gemüt sind es die gleichen skrupellosen Urheber der Bombardierung Bagdads wie die, die Zerstörung des nationalsozialistischen Dresdens zu verantworten haben.

Darum spricht man in Deutschland auch nur all zu ungern über die tatsächlichen Erfolge im Nachkriegsirak, denn nichts mehr wünscht man sich in als das die USA den Krieg verlieren mögen. Immerhin würde dies als gerechte Strafe für die Niederschlagung des Nationalsozialismus bewertet werden.

Special Link: President Bush Discusses Global War on Terror

2008-03-05

Dessau war Täterstadt

Der Export und die Dezentralisierung des Gedenkens an die deutschen "Opfer" der alliierten Bombenangriffe hat mittlerweile doch ein recht beachtliches Ausmaß erreicht, wie nicht nur die
zahlreichen Nazi - "Mahnwachen" rund um den 13. Februar zeigten.
Als nächstes ist die Stadt Dessau Ort der Auseinandersetzung.



Hierzu ruft die AG Operation Taschentuch zur Partydemo am 8. März auf und bemerkt, unter anderem sehr richtig folgendes:

Nach dem Aufpolieren des Images im Zuge der Fußball-WM ist man stinksauer, sich durch die Schmuddelkinder von Rechts die ureigenste deutsche Gedenk-Leit-Kultur versauen zu lassen. Da hat die Bürgergesellschaft es in Jahrzehnten fleißiger Wühlarbeit geschafft, die eigenen Mythen und Verdrängungsneurosen bei der Bewältigung des „dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte“ endlich in eine mehrheits- und anschlussfähige Form zu bringen, und dann so etwas. Wie lange hat man dafür gestritten und sich von den einstigen Siegermächten Watschen abgeholt, um endlich die „Opfer des Bombenkrieges“ betrauern und die „Schuld der Vertreibung“ lauthals anprangern zu dürfen?

Nazis hin oder her - trotz ein paar krakelender Rechtsextremisten hält man unbeirrt an dieser entwickelten Gedenkkultur fest. Das Konstrukt des deutschen Opfermythos wird weiterhin gepflegt. Unter dem Motto: „Nie wieder!“ werden auf den diversen Gedenkevents natürlich auch die Opfer des nationalsozialistischen Terrors erwähnt, ohne jedoch jene unter der deutschen Zivilbevölkerung zu vergessen. Nicht nur zum Volkstrauertag werden in Dresden, Dessau oder Klein Wülknitz zunächst Kränze am Ehrenmal für die sowjetischen Soldaten abgelegt und anschließend auf dem selben Friedhof der gefallenen Frontsoldaten und Kriegshelden zu gedenken. Mit unterschiedlicher Intention wird die Shoa aus geschichtsrevisionistischen Motiven thematisiert, sofern sich die Erwähnung deutscher Verbrechen als politisch nützlich erweist. Alles war im Krieg irgendwie schlimm, die historisch definierten Kategorien Opfer und Täter haben sich aufgelöst und fertig ist sie: die deutsche Kollektividentität ohne braune Flecke auf der Weste. Dieser vermeintliche Zuwachs an moralischer Kompetenz hilft dabei ungemein, die Erinnerung an die deutschen Opfer legitim erscheinen zu lassen. Denn die Protagonisten der neuen Gedenk-Leit-Kultur durften ihre Volksgenossen 63 Jahre lang nicht öffentlich betrauern.

Diese pathologische Wahrnehmungsstörung lässt dabei völlig außer Acht, dass in der westdeutschen Gesellschaft bis in die 1970er Jahre hinein eine Auseinandersetzung mit dem Holocaust unzureichend stattfand und vielmehr breitenwirksam die eigenen Opfer im Vordergrund standen. Und auch in der DDR wurden – verstärkt v.a. in den 1980er Jahren – die Bombardements der Alliierten, hier vor allem der Amerikaner und Briten, ohne eine ernsthafte Einordnung in den historischen Kontext, als „Bombenterror der Alliierten“ verunglimpft. Übrigens ein Syntax, den die NPD schon vor Jahren für sich übernommen hat.

Die in diesem Zusammenhang erfolgte Stilisierung der deutschen Opfer als „Unschuldige“, als „Opfer unter Opfern“, klammert einen wesentlichen Punkt aus: Die deutsche Bevölkerung war keinesfalls unschuldig an der Entwicklung dieser Ereignisse, an der Machtergreifung der Nazis, an den Verbrechen der Wehrmacht, am Holocaust. Alles geschah im Wissen und mit Zustimmung der großen Mehrheit der Deutschen.
weiterlesen via AG Operation Taschentuch

2008-03-01

Dresdner Selbstgespräch

Die Dresdner „Zivilgesellschaft“ postulierte im Rahmen des diesjährigen „13.Februars“ das „Lernen aus der Geschichte“ als Primat im Kampf gegen die Nazis und gegen das braune Image der Stadt.

All das ist nicht besonders neu, wie folgendes, historisches Filmdokument aus dem Sommer 1991 zeigt.
Zu sehen ist ein junger Nazi im Gespräch mit einer Dresdner Rentnerin.
Während er versucht eine Reichskriegsflagge zu befestigen und die Mahnwache für den soeben erschossenen, damaligen Nazikader Rainer Sonntag zu bewachen macht sie sich lautstark Luft und fordert von ihm die Blumen und den Nazikitsch zur Frauenkirche zu bringen.
Das Gespräch der beiden bringt dabei die „Tragik“ des 13. Februars in der heutigen Auseinandersetzung unfreiwillig komisch auf den Punkt. Während er dem toten „Kameraden“ gedenken will, fordert sie die Anerkennung der „Opfer“ der Bombardierung, weil „Dresden“ heute „gegen den Faschismus mahnt“, wie es die Dresdner „LINKE“ in diesem Jahr ebenfalls verkündete.

Mehr über die Naziszene in Dresden zu Beginn der 1990er Jahre gibt’s beim grossartigen starblog.