2011-01-24

Die linke Formierung

Im folgenden ist ein Text der Antifa Freiberg dokumentiert, der sich, dankenswerter Weise, mit der diesjährigen Mobilisierung zu den linken Aktivitäten gegen die Naziaufmärsche in Dresden kritisch beschäftigt.

Diese ist, nicht erst in 2011, aber nunmehr in besonderem Maße durch inhaltliche Leere und eine größtmögliche Distanz zu einer ideologiekritischen Auseinandersetzung mit dem Gedenken in Dresden, jedoch umso mehr durch linken Populismus, um des "Events" und der "Bewegung" willen, geprägt.

Here we go...

Die linke Formierung

[D]ie Entscheidung ist gefallen. Für den 19. Februar 2011 gibt es die Großmobilisierung zu Massenblockaden nach Dresden.“ Dass man vor diesem Spektakel, bei dem das Gros der Teilnehmenden an den unheimlichen Aufmarsch der ML-Zombies auf der LLL-Demo beinahe heranreicht, besser Reißaus nehmen sollte, möchten wir im Folgenden versuchen darzulegen.


Der Fluch des Superlativs!!!

Großmobilisierung; Massenblockaden; Event; Europas größter Naziaufmarsch; endgültig Geschichte werden zu lassen; bundesweit; auf jeden Fall zu verhindern; können und werden wir nicht; öffentlichkeitswirksam; aktiv werden; Aktionstag; trommelt alle eure Freunde zusammen usw. usf. Diese Sprache spricht Bände. Man braucht nicht erst Victor Klemperers L.T.I. zu lesen, um den Tatendrang, die Kraft und den superlativierten Sinn zu erkennen, mit denen bei no pasarán und Dresden-Nazifrei Politik gemacht wird: Mit einer Sprache, die schon von ihrer Struktur her auf etwas verweist, das zum Fürchten ist.

Welch autoritärer Gestus muss in den Köpfen der Menschen herrschen, die die überwiegende Zahl ihrer Ergüsse mit Ausrufezeichen beenden und für die es Höchstleistungen darstellt, Sätze zu formulieren. Sätze, die diese Bezeichnung verdienen und vom Jargon emanzipiert ohne Verlautbarungen der Entschlossenheit und Versicherungen der eigenen, gemeinsamen Identität auskommen. Sätze also, die Inhalt, oder im höchsten aller Fälle gar Kritik, transportieren.


So kommen bei der Mobilisierung nach Dresden Form und Inhalt in wunderbarer Weise zusammen; jedes Wort bricht sich mit dem Bedürfnis nach Gemeinsamkeit, Identität und autonomen Gruppenkuscheln Bahn. Wie für die L.T.I., so gilt auch für die Sprache der Mobilisierung: „Tendenz, gespannte Bewegung auf ein Ziel hin, ist Pflichtgebot, elementares und allgemeines. (..) Sein ganzer Sprachschatz ist von dem Willen zur Bewegung, zum Handeln beherrscht.1 Tätigkeitsworte und das Schreiben im Futur sind symptomatisch für die Aufrufe von no pasarán und Dresden-Nazifrei: wir werden; blockieren; verhindern, stoppen; wollen; es nicht belassen werden usw. usf. Die Bewegung ist Alles, der Einzelne Nichts. Stillstand ist der Tod.


„Der Weg ist das Ziel“

no pasarán

„Dieses Ziel eint uns“

Dresden-Nazifrei


Es gibt daher Aktionskonferenzen, Aktionskonsense, Blockadetrainings und dergleichen mehr. Alles verweist auf das Prinzip der Bewegung und die Tat an sich. Im Aufruf für 2011 ist eine Begründung für das Blockadespektakel no pasarán gerade einmal drei Sätze wert; Dresden Nazifrei verzichtet gleich ganz darauf. Anscheinend will man längst nicht mehr überzeugen, sondern rekrutieren. Das Verhindern von Naziaufmärschen scheint sich für die überwiegende Mehrheit bereits aus sich selbst heraus zu legitimieren und bedarf keiner weiteren Ziele und Analysen.


Daran schließt ein weiteres zentrales Merkmal der Verlautbarungen no pasaráns und Dresden-Nazifreis an: Das der Behauptung. Der Naziaufmarsch am 13. Februar wäre der wichtigste Naziaufmarsch Europas, ist etwa zu lesen. Doch Belege dafür finden sich höchstens rudimentär zwischen den drei Sätzen, die als Begründung nicht durchgehen können.2 Warum aber sollte ausgerechnet das durchgekaute und abgehandelte Thema der Trauermärsche bedeutsamer sein, als etwa zahlreiche Demonstrationen gegen sogenannte Kinderschänder, herbeihalluzinierte „Überfremdung“, Globalisierung, oder aktuelle politische Anlässe?


Waren etwa die antisemitischen Aufmärsche anlässlich der Verteidigung des israelischen Souveräns gegen die „Free-Gaza Flotille“ im letzten Jahr, an denen sich u.a. auch die Antifaschistische Linke Berlin – eine im no pasarán-Bündnis organisierte Gruppe – beteiligte3, nicht minder gefährlich? Eine Tatsache, die die ALB als Bündnispartner völlig diskreditieren sollte. Und ist die Behauptung kein Schlag ins Gesicht jener Antifaschist_innen in Ungarn und Russland, die dort einer organisierten rechten Pogromstimmung ausgesetzt sind?4


Dennoch verwundert es nicht, wie die Massenbündnisse zu dieser Feststellung kommen. Für ihren begrenzten Horizont scheinen die Ereignisse in und um Dresden der Nabel der Welt zu sein. Wer die eigene Relevanz nur an den versammelten Massen auf der Straße misst, wem die Teilnehmendenzahlen auf Demonstrationen Erfolgsindikatoren sind, wer als ideelle Gesamtantifaschist_in trotz durch und durch mackerhaften Gebärdens auf Gender Gap beharrend nur in Organisationszusammenhängen denken kann, muss zwangsläufig im mobilisierungstechnischen Schwanzvergleich 5 mit den Neonazis enden und genau dort deren Gefährlichkeit erblicken. In dieser Art der Auseinandersetzung kommen no pasarán und Dresden-Nazifrei der von ihnen kritisieren Extremismusdoktrin erstaunlich nahe.


Eine Kritik an neonazistischen und anderen menschenverachtenden Ideologien kommt nicht umhin, diese auf ihre Wirkmächtigkeit zu untersuchen. Wie es auch no pasarán richtig benennt, sind autoritäre Charakterstrukturen und menschenverachtendes Denken in der Gesellschaft weit verbreitet. Jedoch muss man auch anerkennen, dass es mittlerweile in fast allen Teilen der Gesellschaft Konsens ist, sich von Neonazis zu distanzieren und der Trauermarsch überall auf starke Ablehnung stößt.


In Dresden ist für die Nazis kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Niemand will sie haben; nicht einmal die stockkonservative Oberbürgermeisterin Helma Orosz. Wenn no pasarán daher schreiben, dass die Aktionen von Dresden-Nazifrei und no pasarán als genauso störend empfunden würden, wie die menschenverachtende Propaganda(sic!) der Neonazis, ist das eine dreiste Behauptung, die von der Wirklichkeit Lügen gestraft wird. Dass die Bündnisse nicht gerade das Wohlwollen der Stadtoberen auf sich ziehen, ist sicher der Fall – mehr aber auch nicht. Die Außenseiterrolle, die no pasarán für sich in Anspruch nimmt, ist längst vom gesellschaftlichen Mainstream rekuperiert und lediglich der Gestus ein anderer.


Oft – und dort liegt das Problem – äußert sich das jedoch nur in einem Unbehagen gegen Nazis, das irgendwo zwischen sozialer Erwünschtheit, Selbstvergewisserung und Antira-Aktivismus zu verorten und aus diesem Grund nicht in der Lage ist, über eine Ablehnung von Neonazis hinauszugehen. Gegen Nazis zu sein ist OK, den Kapitalismus zu kritisieren und mit ihm verbundene Phänomene, wie Vereinzelung, Entfremdung, empfundene Ohnmacht und die fehlende Subjektivität der Individuen, als eine der Ursachen für Massenbewegungen und kollektive Identifizierung zu benennen, zu viel des Guten. Theodor W. Adorno schrieb bereits 1963 in seinem Aufsatz Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, dass das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie potentiell bedrohlicher sei, als das Nachleben des Nationalsozialismus gegen die Demokratie.6


Und auch mehr als 40 Jahre später ist Deutschland von einer faschistischen Machtübername unendlich weit entfernt. Daher ist der Verweis darauf, dass das Blockadespektakel durch die deutsche Geschichte notwendig wird, bereits empirisch widerlegt. Notwendig wäre ganz anderes, etwa, sich die Ursachen für menschenverachtendes Denken bewusst zu machen und an deren Abschaffung zu arbeiten.


Obwohl behauptet wird, mit den durchgeführten Blockadeaktionen den Rahmen des symbolischen Protestes verlassen zu haben, sind die Blockaden letzten Endes genau das – rein symbolische Aktionen. Dresden-Nazifrei verrät dies auch, wenn Leute dazu aufgefordert werden, ein wirksames Zeichen zu setzen. Menschenverachtendem Gedankengut auf der Straße begegnen zu wollen, ist utopisch. Vor allem aber haben die Blockaden keinen Adressaten und einen Erkenntnisgewinn werden sie nicht bieten. Nazis, die um ihre gesellschaftliche Marginalität wissen, bekommen das an diesem Tag lediglich noch einmal gespiegelt, während alle anderen sich gegenseitig bestätigen, wie blöd sie Nazis finden. Um nicht falsch verstanden zu werden: Wenn Nazis am 19. Februar einen richtig beschissenen Trauermarsch erleben, ist das unbedingt zu begrüßen – aber wir glauben, dass es nicht die Auswirkungen hat, wie die Blockadelustigen sie sich gern einreden. Nach Dresden zu fahren ist einfach, aber nutzlos und hat mit Zivilcourage nichts zu tun. Es ist eine riesige Selbstbespaßung, die die dafür aufgebrachte Mühe nicht wert ist.


Angesichts all der Zumutungen, die diese Gesellschaft bereit hält, ist es geradezu irrwitzig, für ein Event, wie den 13. Februar, seine Kraft und Energie zu verschwenden, wo es an anderen Stellen so viele Gründe gibt, sich einzumischen. Welche Fortschritte könnten im Asylrecht und der deutschen Abschiebepraxis erreicht werden, gäbe es einen annähernd vergleichbaren Protest dagegen. Wie viele Menschen könnten vor widrigen Lebensumständen oder ihrem Tod bewahrt werden, riefe einmal ein Bündnis dazu auf, Abschiebungen zu verhindern. Und wie viel reicher an Perspektiven wäre die Provinz, flösse Engagement auch einmal dort hin. Jede progressive politische Veranstaltung im Jugendclub; selbst jedes kulturelle Programm, das nicht von rechten Inhalten oder rechtem Publikum dominiert wird, ist dort nachhaltiger, als die noch so große Großblockade. Doch dort fehlen sowohl der klar lokalisierbare „Feind“, an dem sich abzuarbeiten wäre, als auch der jährliche Eventcharakter. Denn damit rechnet das autonome Herz: Dass in Dresden was geht!


Der Spaßfaktor

Genau diese bewegungslinke Scheiße ist es, die es für uns unerträglich macht, die Mobilisierungen nach Dresden gutzuheißen. „Der Mobi-Stuff des Antifa-Bündnis „no pasarán“ für diese Saison(sic!) ist fertig.“, heißt es etwa auf der Homepage des Bündnisses no pasarán, so, als würde man ein Fußballspiel bewerben.


Der Trauermarsch der Nazis und die Proteste dagegen wurden längst zu einer Schimäre aufgeblasen, die sich selbst am Leben erhält und für nicht wenige Gruppen den einzigen Zweck ihrer politischen Arbeit ausmacht. Das Ziel fällt dabei hinter die Inszenierung zurück.

Gesellschaftskritik ist kein Karnevalsverein. Wer schon Wochen vor dem 19. Februar voller Spannung und Vorfreude darauf brennt, in Dresden ein bisschen Action zu erleben, liquidiert damit die Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft, in der eine Auseinandersetzung mit menschenverachtendem Gedankengut obsolet wäre, zugunsten des privaten Vergnügens. Das ist natürlich – um im Sprech von Dresden-Nazifrei zu bleiben – legitim, aber hat mit einer Auseinandersetzung mit menschenverachtendem Denken etwa so viel zu tun, wie ein Wanderausflug mit dem AK Freizeit in die Sächsische Schweiz.


Im Aufruf no pasaráns für 2011 wird es hingegen problematisch. „Wir stören gerne“, steht dort geschrieben. Eine winzige Überschrift, in der doch so Vieles steckt. Müsste es nicht zum Kotzen sein, überhaupt die Anstrengungen betreiben zu müssen, die no pasarán und Dresden-Nazifrei zweifelsohne leisten? Könnten nicht auch die Menschen bei no pasarán und Dresden-Nazifrei ihre begrenzte Lebenzeit sinnvoller nutzen, gäbe es die Naziaufmärsche gar nicht?


Etwas gern zu tun impliziert unweigerlich ein sich Abfinden mit den Verhältnissen und das nicht etwa in Resignation, was zwar bedauerlich, aber eher noch nachvollziehbar wäre, sondern in purer Zufriedenheit. Es ist dagegen zum Kotzen, in einer Gesellschaft wie dieser leben zu müssen. Jeden Tag, den das länger der Fall ist, ist ein Tag, der für immer verloren ist. An der Kritik daran (die von den Bündnissen noch nicht einmal geleistet wird) Spaß zu haben, ist nichts anderes als Sadismus.

Des Weiteren ist die zitierte Passage Indiz dafür, welches Moment in der Mobilisierung eine große Rolle spielt. Selbst das Wort Mobilisierung weißt darauf hin. Die Blockaden sind nicht nur Mittel, sondern auch Zweck für sich. Zusammen in einer Blockade zu sitzen ist aufregend und schweißt zusammen wie der Winter die Volksgenossen im Winterhilfswerk. Man harrt gemeinsam in eisiger Kälte und Schnee aus und geht solidarisch miteinander um. Grund genug, alle politischen Divergenzen ad acta zu legen und die Klassengrenzen zu vergessen. Das ist die Ersatzgemeinschaft als Kompensation für die eigene Marginalität im handlichen Taschenformat.


Wie in jedem Prozess der Identifikation braucht es auch hierbei einen klaren Feind, gegen den sich abgegrenzt werden kann. Zu kritisieren ist daran nicht, dass Neonazis es sind, von denen sich abgegrenzt wird, sondern, dass dieser Prozess überhaupt der Identifikation dient. Dabei wird sich nicht mit Ideologien auseinandergesetzt und ein kritischer Begriff von Gesellschaft gebildet, sondern vor allem dessen versichert, dass man selbst doch auf „der guten Seite“ steht. Ist das dann einmal erfolgt, wird stillschweigend, zustimmend oder gar aktiv unterstützend in Sportgruppen Jagd auf Neonazis – oder wen man dafür hält – gemacht und in Kauf genommen, dass sich Menschen beim Angriff mit Pflastersteinen ernsthaft verletzen und dann noch erwartet, dass dergleichen Verhalten nicht etwa eine Denunziation bei der Polizei nach sich zieht, sondern Stillschweigen vor den „Repressionsapparaten des Staates“.


Sandkastengeneral ra0105 meldet…

Dieser Korpsgeist findet ebenfalls Ausdruck in Sprache und Gestik no pasaráns. Texte und Aufrufe des Bündnisses strotzen von militärischen Begriffen: Neonazis mussten eine empfindliche Niederlage hinnehmen, umzingeln, Busse in einer langen Kolonne, das Nazi-Großevent wird geknackt, Gegner, örtliche Verlagerung der Blockaden, wird von uns nicht unbeantwortet bleiben. Die Antifaschistische Linke Berlin ist sich noch nicht einmal zu blöd, von Menschenblockaden zu sprechen. Warum nicht gleich von Menschenmaterial? Bei no pasarán sind es Tausende von Menschen, die die Schlagkraft der Truppe ausmachen. Und auf der Website findet sich tatsächlich eine Adaption des Slogans Che Guevaras „Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam“: „Schafft zwei, drei, viele Busse…“.


Die angestrebten Massenblockaden sind ein Mittel, auf das man setzt. Ebenfalls eine Formulierung, die man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte. Auf etwas zu setzen ist der Fall, wenn man bewusst eine Strategie verfolgt. Das intendiert ein Kalkül, Abwägung von Sachverhalten, wie man es aus Militärmanövern, oder auch der institutionalisierten Politik kennt. Es geht dabei um Hegemonie auf dem Schlachtfeld, oder in der Gesellschaft; um Interessenkampf, oder Entscheidung auf der Straße. Wer auf etwas setzt, hat längst begonnen, Realpolitik zu machen. Verwundern muss das nicht bei denen, die nicht den Kapitalismus mitsamt seinen Vergesellschaftungsformen überwinden wollen, sondern nur ein auf Ausbeutung basierendes Wirtschaftssystem.


Quo vadis Dresden?

Wie kann vor diesen Hintergründen ein ideologiekritischer Umgang mit und in Dresden stattfinden? Wir sind der Ansicht, dass das Abarbeiten an Nazis auf der Straße in Dresden zu nichts führen wird. Gerade in der sächsischen Provinz geht von organisierten Neonazis eine akute Gefahr aus. Sie liegt nicht nur in Leib und Leben bedrohender Gewalt, sondern in ihrem Einfluss auf die Sozialisation der Jugendlichen und der Erosion alternativer Subkultur. Dass dagegen das alljährliche, überdimensionierte Familientreffen in Dresden eine derart wichtige Vernetzungs-, Bestärkungs- und Politisierungsfunktion einnimmt, wie immer wieder behauptet, möchten wir nicht völlig abstreiten, aber in der dargebrachten Vehemenz bezweifeln.

Es erscheint im Gegenteil auch die Vermutung nicht völlig abwegig, dass die Aufmerksamkeit, mit der die Naziaufmärsche in Dresden begleitet werden, für diese verstärkend wirkt. Denn dass Frustration zu Selbstreflexion führen kann, ist eine steile These, wie nicht zuletzt die Ausschreitungen im Anschluss des verhinderten Trauermarsches im letzten Jahr belegen. Der Verbreitung menschenverachtenden Gedankengutes werden no pasarán und Dresden-Nazifrei auf dieser Weise nicht begegnen können.


Hier liegt auch die Gefahr, die wir im Kern der Proteste entdecken. Der militante Gestus und die Beteiligung der widerwärtigsten Gruppen und Einzelpersonen reproduzieren menschenverachtendes Gedankengut auf unterschiedlichste Art und Weise. Die Politisierung von Menschen, die in Dresden sicherlich geschieht, birgt neben Chancen auch große Gefahren. An deren Ende könnten an der Stelle von kritischen Menschen auch Sozialdemokraten, Grüne, ML-Kommunisten oder andere linke Elendsverwalter stehen. Das Erleben als Teil eines breiten Bündnisses verheißt jedenfalls nichts Gutes. Für die zu leistende radikale Gesellschaftskritik ist das wahrscheinlich viel gefährlicher, als die organisierten Neonazis, um die sich längst die zivilgesellschaftlichen Institutionen kümmern.


Antifaschistische Gruppe Freiberg, Januar 2011


Fussnoten:

1 Klemperer, Victor (1957): LTI. Stuttgart: Reclam, 22. Auflage 2007, S. 304.

2 „Der alljährlich als Trauermarsch inszenierte Großaufmarsch stellt mit zuletzt über 6.000 TeilnehmerInnen den größten Naziaufmarsch Europas dar. Aber er ist nicht nur wegen seiner Größe relevant, sondern auch wegen seiner Ausstrahlungswirkung ins europäische Ausland und seiner Binnenwirkung in die verschiedenen, sonst oft zerstrittenen Spektren der Nazis. Autonome Nationalisten, NPD, DVU, der ganz rechte Rand von Burschenschaften und Verbänden sowie Nazis aus anderen europäischen Ländern kamen zusammen und konnten sich gemeinsam als mächtige Bewegung darstellen und erleben.“, ist alles, was im Aufruf von no pasarán dazu geschrieben steht.

3 Vgl.: http://anti.blogsport.de/2010/06/01/stoppt-das-massaker-in-gaza-ueber-linke-und-ihre-freunde/

4 Vgl.: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,734389,00.html und http://www.taz.de/1/sport/artikel/1/pogromstimmung-in-moskau/

5 Ein besonders drastisches Beispiel findet sich z.B. hier: http://de.indymedia.org/2011/01/298545.shtml?c=on#c694825

6 Adorno, Theodor W. (1963): Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit. In: Eingriffe. Neun kritische Modelle. Frankfurt am Main: Suhrkamp, Sonderausgabe zum 40jährigen Bestehen der edition suhrkamp 2003, S. 126.

2010-06-26

Forgotten Flags

Wen das ekelhafte "Deutschland"-Gegröle dieser Tage und die Verschandlung von Gebäuden, Autos und Menschen mit schwarz-rot-golden Lappen aller Art stört sei auf das, bereits 2006 entstandene Filmprojekt "Vergessene Fahnen" von Florian Thalhofer und Juliane Henrich hingewiesen.

Diese reisten damals durch das Land und interviewten verschiedene Menschen zur ihrer Motivation die "Deutschland" - Fahne zu zeigen bzw. auch nach der Fussball-WM nicht mehr abzunehmen, sowie ihrem Verhältnis zu Deutschland.

Entstanden sind sehenswerte Innenansichten der deutschen Gesellschaft. Trailer des Filmes sind auf obiger website bzw. einzelne Ausschnitte auf youtube zu sehen.

2010-06-14

Antisemitismus ist keine Abenteuer-Kreuzfahrt

Die Gruppe Morgenthau ruft für Sonntag, den 20. Juni 2010 zu einer Demonstration unter dem Motto: "Solidarität mit Israel" in Frankfurt am Main auf. 

Im Aufruf heisst es unter anderem:

Während der Islamismus die Strategie bestimmt, kommt den linken Knechten die Aufgabe zu, handfeste Kriegsabsichten in den Jargon der Demokratie zu kleiden, dessen schöner Schein genauso durchsichtig ist wie der Schleier humanitärer Hilfe, mit dem die Aufgebrachten ihren Akt antizivilisatorischen Ungehorsams notdürftig bedeckten. Der Lohn im interkulturellen Austausch: ein Platz an Bord einer Abenteuerkreuzfahrt, separierte Decks für Frauen inklusive.

(...) Was den Islam und die Linke außer der Tatsache, dass ihre Darbietungen ausnahmslos hässliche Erscheinungen sind, miteinander verbindet, ist die kollektivnarzisstische Disposition dieser beiden Opfergemeinschaften. Das Gekränktsein der Linken ist evident: es gibt kein einziges Projekt, das sie nicht politisch und moralisch in den Sand gesetzt haben. Ihre Einfühlung in die reine Opferideologie, den Islam, wird durch den eigenen Bankrott begünstigt und manifestiert sich in einer Praxis, die zeigt, dass Lustgewinn, kurz: Abenteuerfeeling nur mehr als Destruktivität möglich ist, als Antietatismus der dummen Kerls, der sich insbesondere am Staat der Juden ausagiert.  

Treffpunkt ist um 13Uhr in Bornheim Mitte / Am Uhrtürmchen, nähe U4

Für den Vorabend sei zudem auf eine entsprechende Veranstaltung hingewiesen:

Nichts gelernt und nichts vergessen
Geschichte und Zukunft des Antizionismus in Deutschland
Vortrag und Diskussion mit Joachim Bruhn am 19.6. um 19 Uhr in Frankfurt im Institut für vergleichende Irrelevanz

2010-06-05

This was not a love boat, this was a hate boat!

Die Zwischenfälle vor der israelischen Küste in der letzten Woche haben erwartungsgemäß eine Flut von vielen guten und richtigen Stellungnahmen zur Folge.

Siehe u.a. Showdown auf der Mavi Marmara, Ein Schiff wird kommen , Free Gaza from Hamas und Die Banalität des Guten.

Gleichzeitig bricht sich der Hass auf Israel, mal wieder auf den Strassen, als auch im web Bahn.

Statt eine weitere Erklärung hinzuzufügen lässt uglydresden zwei der deutschen Leichtmatrosen, nämlich Norman Paech und Inge Höger, beide Mitglieder und (ex-) MdB der so genannten "Linkspartei" nochmal zu Wort kommen. 

Diese glänzten in einer asozialen Pressekonferenz nach ihrer Rückkehr aus Israel, die in folgendem Video nochmal in einem ganz anderen Licht erscheint.



Auf der website des israelischen "Latma.TV" ist außerdem folgendes sehr schönes Video erschienen, welches die Ereignisse ebenfalls auf grossartige Weise kommentiert. 

Update (12.05.10): Da der ursprüngliche Videolink auf ein, numehr von youtube entferntes Video verweist, hier eine andere Version mit hebräischen Untertitel. Der Spiegel fand es ja im übrigen gar nicht lustig, traute seinen LeserInnen aber auch nicht zu das Video direkt zu sehen und zu beurteilen. Stattdessen wird nur ein Bildausschnitt gezeigt, in dem der Untertitel: "The IDF is Jack the Ripper" zu sehen ist, also der Zusammenhang verzerrt wird. Peinlich, wenn im gleichen Artikel die Entstehung und Verbreitung des Videos als "Propaganda-Lapsus (...) finanziert durch konservative (n) amerikanischen Think-Thank" beschrieben wird. 

2010-05-30

Antifa bis zum Endsieg

Jeder und Jede die sich ein paar Jahre in Antifagruppen abgequält hat weiß um die mühseligen Diskussions- und Entscheidungsprozesse die dann in Pamphlete münden wie es jetzt die so genannte „Antifaschistische Linke Berlin“ zu den Protesten gegen den Neo-Nazi Aufmarsch am 13. Februar in Dresden veröffentlicht hat. Siehe Antifa-Auswertung Dresden 2010. Alle Zitate sind dem Text entnommen.


Es sagt einiges über das Interesse und, in diesem Fall hoffentlich, über den Zustand der Organisation aus, wenn mehr als drei Monate benötigt werden um ein Urteil über die eigenen Aktivitäten zu verfassen. Entschuldigend heißt also zu Beginn: „better late than never“ und es wird deshalb gleich ein Ausblick auf das nächste Jahr, respektive die „Großereignisse“ versprochen.

Das komplette Geschwätz über die „Organisierung“ und die „Entscheidungen unserer Gruppe und der assoziierten Strukturen“ ist für die Tonne, allerdings wird eine „politische Bewertung“ versprochen.

Die ALB konstatiert 2009 einen Wandel in der Gegenmobilisierung (gegen den Naziaufmarsch). Weshalb? „Der bewegungsorientierte Charakter der „NoPasaran!“ - Mobilisierung machten Mut“ dem, man höre und staune, ein „Ausbruch aus der Dresdner Szene-Lethargie“ vorausging. Demzufolge kamen viel mehr Menschen aus „Antifa-Zusammenhängen, als auch der Zivilgesellschaft nach Dresden“.

Mut ist natürlich viel wichtiger und einfacher, als eine politische Analyse anzufertigen und diese zur Diskussion zu stellen. Mut braucht es offenbar auch um aus der „Lethargie“ „auszubrechen“, was im übrigen der einzige Hinweis in dem Text darauf ist, das sich „NoPasaran!“ in Abgrenzung zu den vorangegangen Mobilisierungen gebildet hat.  

Dies geschah explizit in Abgrenzung zu allen Positionierungen gegen das öffentliche Gedenken an die „Opfer“ des 13.Februar 1945 und gegen die, die dass mal informelle, mal ganz praktische Bündnis, der Dresdner Öffentlichkeit, des Bürgermobs und den Neo-Nazis, zur Verteidigung des „Dresden-Mythos“ kritisierten. Stattdessen setzt man auf inhaltlose Massenmobilisierung und windet sich ausnahmslos schlecht als recht, wenn es um eine inhaltliche Positionierung zum eigentlichen Hintergund des ganzen „13.Februar“ Spektakels geht.


Anders formuliert, man wollte den Bruch mit den antideutschen Mobilisierungen und den seit Mitte der 1990er Jahre formulierten Einsichten über die spezifische Verfasstheit des Dresdner Mikrokosmos rund um dem 13. Februar, sowie die ideologischen Kontinuitäten seit 1945.

So wird das natürlich nicht gesagt, sondern es wird pathologisiert in dem man die, nur langsame Weiterentwicklung der Kritik am Dresden-Gedenken als „Lethargie“ denunziert. Wobei hier festzuhalten bleibt, das sich das öffentliche Geschwätz, wie auch die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung kaum geändert hat, was natürlich ein Indikator für die Entwicklung der Kritik ist. Hinzugekommen ist in den letzten Jahren das instrumentalisierende Bedauern toter JüdInnen und die verbale Ausgrenzung der Neo-Nazis, wenn es politisch opportun erscheint. Nebenbei sei angemerkt, das der Protest nur wenig durch die Dresdner Bevölkerung unterstützt wurde und wird, weshalb ja erst das massenhafte Herankarren von Berufsdemonstranten eine Blockade des Neonazi-Aufmarsches möglich machte.  


Die ALB fährt fort: „Aus den Erfahrungen der letzten Jahre zogen wir die Konsequenz, dass für 2010 nur antifaschistische Einheit Erfolg bringen würde. Hierbei sollten alle Akteure eingebunden werden, die tatsächlich das Ziel hatten, den Aufmarsch in Dresden zu verhindern.“

Die Antwort ist also nicht die Konflikte zu vertiefen und die Widersprüche auf die Spitze zu treiben, sondern Einheit. Alle dürfen mitmachen, wenn sie sich dem großen Ziel unterordnen. Wobei unterordnen eigentlich nicht nötig ist, da man sich inhaltlich sowieso nichts zu sagen hat, also auch nicht streiten kann. Welch antifaschistisches Wunderwerk also, das man sich auf „Menschenblockaden“ unter der Parole „Dresden nazifrei“ zusammenschloss. Ob man im Zentralkomitee der antifaschistischen Einheit nur eine Sekunde über das historische Vorbild bzw. die mögliche Assoziation der Parole damit nachgedacht hat bleibt wohl ein Geheimnis, aber es sagt etwas darüber aus was als „deutsch“ zu bezeichnen ist: Diese Art des Antifaschismus ist nichts anderes als Flurbereinigung und Heimatschutzaktion im großen Maßstab.

Und so geht es dann weiter im Text, über den indirekten Dank an die Staatsanwaltschaft die Mobilisierung unterstützt zu haben, die Vor- und Nachteile von Buskonvois, mit Verweis auf den langweiligen Hick-Hack zwischen PDS- und Antifakadern in Berlin, sowie eine unglaubwürdige Heroisierung des Anti-Nazi Protestes der im wesentlichen im „stundenlangem Ausharren in eisiger Kälte und Schnee“ bestand.


Am Ende gibt es dann, leider ohne die versprochene politische Bewertung, den Ausblick auf 2011.

Gespannt? Die inhaltliche Auseinandersetzung wird auf das nächste Jahr verschoben, aber (O-Ton ALB): „Die bewegungsorientierte Antifa geht aus diesem Event gestärkt heraus und sollte auch für 2011 enorme Anstrengungen unternehmen, den Aufmarsch in Dresden zu verhindern und gegen geschichtsrevisionistische Themen inhaltlich und praktisch aktiv zu werden. Indes ist klar, dass die Neonazi-Szene nächstes Jahr noch aktiver und gewalttätiger agieren wird. Deswegen wird es für die Autonome Antifa noch wichtiger sein, massenhaft nach Dresden zu mobilisieren und den Aufmarsch wieder zum Desaster für die Nazis zu machen.

Es mutet etwas schräg an, warum jetzt, wenn man vor Kraft scheinbar kaum laufen kann, alles noch größer und wichtiger wird und noch enormerer Anstrengungen bedarf. Es verweist aber auf das instrumentelle Verständnis der so genannten „bewegungsorientierten Antifa“ zum verhandelten Gegenstand.

Dem, vornehmlich jungmännlichen, Anhang kann man nichts anderes anbieten als inhaltslose „Action“ bei einem „Event“. Als Ablenkung vom sonst recht langweiligen, prekären Leben zwischen Soziologiestudium und Sozialhilfe und der Qual der wöchentlichen Kommunikationssimulation, e.g. dem Antifa-Plenum. Entsprechend wird versprochen, das mit noch mehr „aktiven und gewalttätigen“ Neonazis zu rechnen sei, was bezweifelt werden darf, da auch das maximale Mobilisierungspotential der rechten Szene in Dresden seit Jahren erreicht wird und unter Berücksichtigung der üblichen geistigen Verfasstheit des Durchschnittsnazi eher zu erwarten ist, das viele kein Interesse mehr haben und stattdessen dezentrale Aktionen durchführen dürften.


Das eine zentrale politische Frage, nämlich die andauernde Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und ein Positionierung zur Geschichtspolitik, dabei zum „Event“ degradiert wird, spricht für sich und gegen die Antifa. Eine Konsequenz aus dieser Auseinandersetzung wäre eben, alles zu unterlassen was dem „13.Februar“ Gedenken in irgendeiner Art und Weise Legitimation verschafft.

Der Verweis hat natürlich noch einen anderen Hintergrund, denn ohne Monster-Naziaufmarsch gibt es natürlich auch keine „bewegungsorientierte“ Antifa Aktion, weshalb man androht eine „dauerhafte Perspektive der Verhinderung eines Aufmarsches dieser Größe“ und lustigerweise „mit diesem inhaltlichen Diskurs“ zu entwickeln.

Insofern gilt hier das gleiche, wie für das bürgerliche Dresden-Gedenken: Man braucht die Nazis, um am 13.Februar auf die Strasse gehen zu können, um den „Opfern“ des Bombardements der Nazistadt („antifaschistisch“) zu gedenken und sich so für eine besseres Deutschland zu engagieren.

2010-05-26

Nieder mit dem islamischen Regime. Demo am 19.06.10 in Dresden

Der Zusammenschluss "Solidarity Dresden" ruft für den 19.06.2010 zu einer Demonstration für "die iranische Freiheitsbewegung, Solidarität mit Israel." auf. 


Im Aufruf heisst es unter anderem:

Die Bedrohung, die das iranische Regime darstellt, zeigt sich nicht nur an der brutalen Unterdrückung der Opposition, sondern ebenso in der aggressiven Einflussnahme gegenüber den arabischen Nachbarländern und schlussendlich im Bestreben des Regimes, Atomwaffen zu erlangen. Die Atombombe in den Händen des den Holocaust leugnenden iranischen Regimes stellt dabei eine unmittelbare Gefahr für Israel dar. Erklärungen Ahmedinedschads, Israel „von der Landkarte tilgen“ zu wollen, sollen dem Regime nicht nur eine Fundierung auf den antisemitischen Ressentiments der Addressat_innen garantieren, sondern geben die tatsächliche politische Zielsetzung des iranischen Regimes wieder. Die Vernichtung Israels und der Mord an Jüdinnen und Juden werden vom Regime seit seiner Gründung entschlossen verfolgt.

(...)

Deutschland ist seit Jahren einer der verlässlichsten Partner des Iran. Nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht als größter Handelspartner, sondern auch als Propagandist und Akteur einer unsäglichen Appeasementpolitik. In den acht Jahren seit Bekanntwerden des Atomprogramms hat der Iran keine Gelegenheit ausgelassen, seinen Willen deutlich zu machen, es fortzusetzen. Gleichzeitig wurde von den europäischen Staaten und vorneweg Deutschland fast alles getan, um ihm dabei den Rücken freizuhalten. Statt effektiven wirtschaftlichen und diplomatischen Druck auszuüben, zelebrierte man einen sinn- und konsequenzlosen sogenannten „kritischen Dialog“ mit dem Regime.

Los geht es um 14 Uhr am Bahnhof Neustadt. Der vollständige Aufruf findet sich hier: solidaritydresden.wordpress.com


2010-04-02

Wenn das die "Birne" wüsste...

Wer hat nicht darauf gewartet:

Anstrengungsfreie Parteiplakate zum selbst gestalten bieten ein ganz neues Feld der politischen Partizipationsmöglichkeit.    


Ganz ohne Identifikations- und Mitmachangebote geht es bald an dieser Stelle weiter...