Im folgenden ist ein Text der Antifa Freiberg dokumentiert, der sich, dankenswerter Weise, mit der diesjährigen Mobilisierung zu den linken Aktivitäten gegen die Naziaufmärsche in Dresden kritisch beschäftigt.
Diese ist, nicht erst in 2011, aber nunmehr in besonderem Maße durch inhaltliche Leere und eine größtmögliche Distanz zu einer ideologiekritischen Auseinandersetzung mit dem Gedenken in Dresden, jedoch umso mehr durch linken Populismus, um des "Events" und der "Bewegung" willen, geprägt.
Here we go...
Die linke Formierung
„[D]ie Entscheidung ist gefallen. Für den 19. Februar 2011 gibt es die Großmobilisierung zu Massenblockaden nach Dresden.“ Dass man vor diesem Spektakel, bei dem das Gros der Teilnehmenden an den unheimlichen Aufmarsch der ML-Zombies auf der LLL-Demo beinahe heranreicht, besser Reißaus nehmen sollte, möchten wir im Folgenden versuchen darzulegen.
Der Fluch des Superlativs!!!
Großmobilisierung; Massenblockaden; Event; Europas größter Naziaufmarsch; endgültig Geschichte werden zu lassen; bundesweit; auf jeden Fall zu verhindern; können und werden wir nicht; öffentlichkeitswirksam; aktiv werden; Aktionstag; trommelt alle eure Freunde zusammen usw. usf. Diese Sprache spricht Bände. Man braucht nicht erst Victor Klemperers L.T.I. zu lesen, um den Tatendrang, die Kraft und den superlativierten Sinn zu erkennen, mit denen bei no pasarán und Dresden-Nazifrei Politik gemacht wird: Mit einer Sprache, die schon von ihrer Struktur her auf etwas verweist, das zum Fürchten ist.
Welch autoritärer Gestus muss in den Köpfen der Menschen herrschen, die die überwiegende Zahl ihrer Ergüsse mit Ausrufezeichen beenden und für die es Höchstleistungen darstellt, Sätze zu formulieren. Sätze, die diese Bezeichnung verdienen und vom Jargon emanzipiert ohne Verlautbarungen der Entschlossenheit und Versicherungen der eigenen, gemeinsamen Identität auskommen. Sätze also, die Inhalt, oder im höchsten aller Fälle gar Kritik, transportieren.
So kommen bei der Mobilisierung nach Dresden Form und Inhalt in wunderbarer Weise zusammen; jedes Wort bricht sich mit dem Bedürfnis nach Gemeinsamkeit, Identität und autonomen Gruppenkuscheln Bahn. Wie für die L.T.I., so gilt auch für die Sprache der Mobilisierung: „Tendenz, gespannte Bewegung auf ein Ziel hin, ist Pflichtgebot, elementares und allgemeines. (..) Sein ganzer Sprachschatz ist von dem Willen zur Bewegung, zum Handeln beherrscht.“1 Tätigkeitsworte und das Schreiben im Futur sind symptomatisch für die Aufrufe von no pasarán und Dresden-Nazifrei: wir werden; blockieren; verhindern, stoppen; wollen; es nicht belassen werden usw. usf. Die Bewegung ist Alles, der Einzelne Nichts. Stillstand ist der Tod.
„Der Weg ist das Ziel“
no pasarán
„Dieses Ziel eint uns“
Dresden-Nazifrei
Es gibt daher Aktionskonferenzen, Aktionskonsense, Blockadetrainings und dergleichen mehr. Alles verweist auf das Prinzip der Bewegung und die Tat an sich. Im Aufruf für 2011 ist eine Begründung für das Blockadespektakel no pasarán gerade einmal drei Sätze wert; Dresden Nazifrei verzichtet gleich ganz darauf. Anscheinend will man längst nicht mehr überzeugen, sondern rekrutieren. Das Verhindern von Naziaufmärschen scheint sich für die überwiegende Mehrheit bereits aus sich selbst heraus zu legitimieren und bedarf keiner weiteren Ziele und Analysen.
Daran schließt ein weiteres zentrales Merkmal der Verlautbarungen no pasaráns und Dresden-Nazifreis an: Das der Behauptung. Der Naziaufmarsch am 13. Februar wäre der wichtigste Naziaufmarsch Europas, ist etwa zu lesen. Doch Belege dafür finden sich höchstens rudimentär zwischen den drei Sätzen, die als Begründung nicht durchgehen können.2 Warum aber sollte ausgerechnet das durchgekaute und abgehandelte Thema der Trauermärsche bedeutsamer sein, als etwa zahlreiche Demonstrationen gegen sogenannte Kinderschänder, herbeihalluzinierte „Überfremdung“, Globalisierung, oder aktuelle politische Anlässe?
Waren etwa die antisemitischen Aufmärsche anlässlich der Verteidigung des israelischen Souveräns gegen die „Free-Gaza Flotille“ im letzten Jahr, an denen sich u.a. auch die Antifaschistische Linke Berlin – eine im no pasarán-Bündnis organisierte Gruppe – beteiligte3, nicht minder gefährlich? Eine Tatsache, die die ALB als Bündnispartner völlig diskreditieren sollte. Und ist die Behauptung kein Schlag ins Gesicht jener Antifaschist_innen in Ungarn und Russland, die dort einer organisierten rechten Pogromstimmung ausgesetzt sind?4
Dennoch verwundert es nicht, wie die Massenbündnisse zu dieser Feststellung kommen. Für ihren begrenzten Horizont scheinen die Ereignisse in und um Dresden der Nabel der Welt zu sein. Wer die eigene Relevanz nur an den versammelten Massen auf der Straße misst, wem die Teilnehmendenzahlen auf Demonstrationen Erfolgsindikatoren sind, wer als ideelle Gesamtantifaschist_in trotz durch und durch mackerhaften Gebärdens auf Gender Gap beharrend nur in Organisationszusammenhängen denken kann, muss zwangsläufig im mobilisierungstechnischen Schwanzvergleich 5 mit den Neonazis enden und genau dort deren Gefährlichkeit erblicken. In dieser Art der Auseinandersetzung kommen no pasarán und Dresden-Nazifrei der von ihnen kritisieren Extremismusdoktrin erstaunlich nahe.
Eine Kritik an neonazistischen und anderen menschenverachtenden Ideologien kommt nicht umhin, diese auf ihre Wirkmächtigkeit zu untersuchen. Wie es auch no pasarán richtig benennt, sind autoritäre Charakterstrukturen und menschenverachtendes Denken in der Gesellschaft weit verbreitet. Jedoch muss man auch anerkennen, dass es mittlerweile in fast allen Teilen der Gesellschaft Konsens ist, sich von Neonazis zu distanzieren und der Trauermarsch überall auf starke Ablehnung stößt.
In Dresden ist für die Nazis kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Niemand will sie haben; nicht einmal die stockkonservative Oberbürgermeisterin Helma Orosz. Wenn no pasarán daher schreiben, dass die Aktionen von Dresden-Nazifrei und no pasarán als genauso störend empfunden würden, wie die menschenverachtende Propaganda(sic!) der Neonazis, ist das eine dreiste Behauptung, die von der Wirklichkeit Lügen gestraft wird. Dass die Bündnisse nicht gerade das Wohlwollen der Stadtoberen auf sich ziehen, ist sicher der Fall – mehr aber auch nicht. Die Außenseiterrolle, die no pasarán für sich in Anspruch nimmt, ist längst vom gesellschaftlichen Mainstream rekuperiert und lediglich der Gestus ein anderer.
Oft – und dort liegt das Problem – äußert sich das jedoch nur in einem Unbehagen gegen Nazis, das irgendwo zwischen sozialer Erwünschtheit, Selbstvergewisserung und Antira-Aktivismus zu verorten und aus diesem Grund nicht in der Lage ist, über eine Ablehnung von Neonazis hinauszugehen. Gegen Nazis zu sein ist OK, den Kapitalismus zu kritisieren und mit ihm verbundene Phänomene, wie Vereinzelung, Entfremdung, empfundene Ohnmacht und die fehlende Subjektivität der Individuen, als eine der Ursachen für Massenbewegungen und kollektive Identifizierung zu benennen, zu viel des Guten. Theodor W. Adorno schrieb bereits 1963 in seinem Aufsatz Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, dass das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie potentiell bedrohlicher sei, als das Nachleben des Nationalsozialismus gegen die Demokratie.6
Und auch mehr als 40 Jahre später ist Deutschland von einer faschistischen Machtübername unendlich weit entfernt. Daher ist der Verweis darauf, dass das Blockadespektakel durch die deutsche Geschichte notwendig wird, bereits empirisch widerlegt. Notwendig wäre ganz anderes, etwa, sich die Ursachen für menschenverachtendes Denken bewusst zu machen und an deren Abschaffung zu arbeiten.
Obwohl behauptet wird, mit den durchgeführten Blockadeaktionen den Rahmen des symbolischen Protestes verlassen zu haben, sind die Blockaden letzten Endes genau das – rein symbolische Aktionen. Dresden-Nazifrei verrät dies auch, wenn Leute dazu aufgefordert werden, ein wirksames Zeichen zu setzen. Menschenverachtendem Gedankengut auf der Straße begegnen zu wollen, ist utopisch. Vor allem aber haben die Blockaden keinen Adressaten und einen Erkenntnisgewinn werden sie nicht bieten. Nazis, die um ihre gesellschaftliche Marginalität wissen, bekommen das an diesem Tag lediglich noch einmal gespiegelt, während alle anderen sich gegenseitig bestätigen, wie blöd sie Nazis finden. Um nicht falsch verstanden zu werden: Wenn Nazis am 19. Februar einen richtig beschissenen Trauermarsch erleben, ist das unbedingt zu begrüßen – aber wir glauben, dass es nicht die Auswirkungen hat, wie die Blockadelustigen sie sich gern einreden. Nach Dresden zu fahren ist einfach, aber nutzlos und hat mit Zivilcourage nichts zu tun. Es ist eine riesige Selbstbespaßung, die die dafür aufgebrachte Mühe nicht wert ist.
Angesichts all der Zumutungen, die diese Gesellschaft bereit hält, ist es geradezu irrwitzig, für ein Event, wie den 13. Februar, seine Kraft und Energie zu verschwenden, wo es an anderen Stellen so viele Gründe gibt, sich einzumischen. Welche Fortschritte könnten im Asylrecht und der deutschen Abschiebepraxis erreicht werden, gäbe es einen annähernd vergleichbaren Protest dagegen. Wie viele Menschen könnten vor widrigen Lebensumständen oder ihrem Tod bewahrt werden, riefe einmal ein Bündnis dazu auf, Abschiebungen zu verhindern. Und wie viel reicher an Perspektiven wäre die Provinz, flösse Engagement auch einmal dort hin. Jede progressive politische Veranstaltung im Jugendclub; selbst jedes kulturelle Programm, das nicht von rechten Inhalten oder rechtem Publikum dominiert wird, ist dort nachhaltiger, als die noch so große Großblockade. Doch dort fehlen sowohl der klar lokalisierbare „Feind“, an dem sich abzuarbeiten wäre, als auch der jährliche Eventcharakter. Denn damit rechnet das autonome Herz: Dass in Dresden was geht!
Der Spaßfaktor
Genau diese bewegungslinke Scheiße ist es, die es für uns unerträglich macht, die Mobilisierungen nach Dresden gutzuheißen. „Der Mobi-Stuff des Antifa-Bündnis „no pasarán“ für diese Saison(sic!) ist fertig.“, heißt es etwa auf der Homepage des Bündnisses no pasarán, so, als würde man ein Fußballspiel bewerben.
Der Trauermarsch der Nazis und die Proteste dagegen wurden längst zu einer Schimäre aufgeblasen, die sich selbst am Leben erhält und für nicht wenige Gruppen den einzigen Zweck ihrer politischen Arbeit ausmacht. Das Ziel fällt dabei hinter die Inszenierung zurück.
Gesellschaftskritik ist kein Karnevalsverein. Wer schon Wochen vor dem 19. Februar voller Spannung und Vorfreude darauf brennt, in Dresden ein bisschen Action zu erleben, liquidiert damit die Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft, in der eine Auseinandersetzung mit menschenverachtendem Gedankengut obsolet wäre, zugunsten des privaten Vergnügens. Das ist natürlich – um im Sprech von Dresden-Nazifrei zu bleiben – legitim, aber hat mit einer Auseinandersetzung mit menschenverachtendem Denken etwa so viel zu tun, wie ein Wanderausflug mit dem AK Freizeit in die Sächsische Schweiz.
Im Aufruf no pasaráns für 2011 wird es hingegen problematisch. „Wir stören gerne“, steht dort geschrieben. Eine winzige Überschrift, in der doch so Vieles steckt. Müsste es nicht zum Kotzen sein, überhaupt die Anstrengungen betreiben zu müssen, die no pasarán und Dresden-Nazifrei zweifelsohne leisten? Könnten nicht auch die Menschen bei no pasarán und Dresden-Nazifrei ihre begrenzte Lebenzeit sinnvoller nutzen, gäbe es die Naziaufmärsche gar nicht?
Etwas gern zu tun impliziert unweigerlich ein sich Abfinden mit den Verhältnissen und das nicht etwa in Resignation, was zwar bedauerlich, aber eher noch nachvollziehbar wäre, sondern in purer Zufriedenheit. Es ist dagegen zum Kotzen, in einer Gesellschaft wie dieser leben zu müssen. Jeden Tag, den das länger der Fall ist, ist ein Tag, der für immer verloren ist. An der Kritik daran (die von den Bündnissen noch nicht einmal geleistet wird) Spaß zu haben, ist nichts anderes als Sadismus.
Des Weiteren ist die zitierte Passage Indiz dafür, welches Moment in der Mobilisierung eine große Rolle spielt. Selbst das Wort Mobilisierung weißt darauf hin. Die Blockaden sind nicht nur Mittel, sondern auch Zweck für sich. Zusammen in einer Blockade zu sitzen ist aufregend und schweißt zusammen wie der Winter die Volksgenossen im Winterhilfswerk. Man harrt gemeinsam in eisiger Kälte und Schnee aus und geht solidarisch miteinander um. Grund genug, alle politischen Divergenzen ad acta zu legen und die Klassengrenzen zu vergessen. Das ist die Ersatzgemeinschaft als Kompensation für die eigene Marginalität im handlichen Taschenformat.
Wie in jedem Prozess der Identifikation braucht es auch hierbei einen klaren Feind, gegen den sich abgegrenzt werden kann. Zu kritisieren ist daran nicht, dass Neonazis es sind, von denen sich abgegrenzt wird, sondern, dass dieser Prozess überhaupt der Identifikation dient. Dabei wird sich nicht mit Ideologien auseinandergesetzt und ein kritischer Begriff von Gesellschaft gebildet, sondern vor allem dessen versichert, dass man selbst doch auf „der guten Seite“ steht. Ist das dann einmal erfolgt, wird stillschweigend, zustimmend oder gar aktiv unterstützend in Sportgruppen Jagd auf Neonazis – oder wen man dafür hält – gemacht und in Kauf genommen, dass sich Menschen beim Angriff mit Pflastersteinen ernsthaft verletzen und dann noch erwartet, dass dergleichen Verhalten nicht etwa eine Denunziation bei der Polizei nach sich zieht, sondern Stillschweigen vor den „Repressionsapparaten des Staates“.
Sandkastengeneral ra0105 meldet…
Dieser Korpsgeist findet ebenfalls Ausdruck in Sprache und Gestik no pasaráns. Texte und Aufrufe des Bündnisses strotzen von militärischen Begriffen: Neonazis mussten eine empfindliche Niederlage hinnehmen, umzingeln, Busse in einer langen Kolonne, das Nazi-Großevent wird geknackt, Gegner, örtliche Verlagerung der Blockaden, wird von uns nicht unbeantwortet bleiben. Die Antifaschistische Linke Berlin ist sich noch nicht einmal zu blöd, von Menschenblockaden zu sprechen. Warum nicht gleich von Menschenmaterial? Bei no pasarán sind es Tausende von Menschen, die die Schlagkraft der Truppe ausmachen. Und auf der Website findet sich tatsächlich eine Adaption des Slogans Che Guevaras „Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam“: „Schafft zwei, drei, viele Busse…“.
Die angestrebten Massenblockaden sind ein Mittel, auf das man setzt. Ebenfalls eine Formulierung, die man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte. Auf etwas zu setzen ist der Fall, wenn man bewusst eine Strategie verfolgt. Das intendiert ein Kalkül, Abwägung von Sachverhalten, wie man es aus Militärmanövern, oder auch der institutionalisierten Politik kennt. Es geht dabei um Hegemonie auf dem Schlachtfeld, oder in der Gesellschaft; um Interessenkampf, oder Entscheidung auf der Straße. Wer auf etwas setzt, hat längst begonnen, Realpolitik zu machen. Verwundern muss das nicht bei denen, die nicht den Kapitalismus mitsamt seinen Vergesellschaftungsformen überwinden wollen, sondern nur ein auf Ausbeutung basierendes Wirtschaftssystem.
Quo vadis Dresden?
Wie kann vor diesen Hintergründen ein ideologiekritischer Umgang mit und in Dresden stattfinden? Wir sind der Ansicht, dass das Abarbeiten an Nazis auf der Straße in Dresden zu nichts führen wird. Gerade in der sächsischen Provinz geht von organisierten Neonazis eine akute Gefahr aus. Sie liegt nicht nur in Leib und Leben bedrohender Gewalt, sondern in ihrem Einfluss auf die Sozialisation der Jugendlichen und der Erosion alternativer Subkultur. Dass dagegen das alljährliche, überdimensionierte Familientreffen in Dresden eine derart wichtige Vernetzungs-, Bestärkungs- und Politisierungsfunktion einnimmt, wie immer wieder behauptet, möchten wir nicht völlig abstreiten, aber in der dargebrachten Vehemenz bezweifeln.
Es erscheint im Gegenteil auch die Vermutung nicht völlig abwegig, dass die Aufmerksamkeit, mit der die Naziaufmärsche in Dresden begleitet werden, für diese verstärkend wirkt. Denn dass Frustration zu Selbstreflexion führen kann, ist eine steile These, wie nicht zuletzt die Ausschreitungen im Anschluss des verhinderten Trauermarsches im letzten Jahr belegen. Der Verbreitung menschenverachtenden Gedankengutes werden no pasarán und Dresden-Nazifrei auf dieser Weise nicht begegnen können.
Hier liegt auch die Gefahr, die wir im Kern der Proteste entdecken. Der militante Gestus und die Beteiligung der widerwärtigsten Gruppen und Einzelpersonen reproduzieren menschenverachtendes Gedankengut auf unterschiedlichste Art und Weise. Die Politisierung von Menschen, die in Dresden sicherlich geschieht, birgt neben Chancen auch große Gefahren. An deren Ende könnten an der Stelle von kritischen Menschen auch Sozialdemokraten, Grüne, ML-Kommunisten oder andere linke Elendsverwalter stehen. Das Erleben als Teil eines breiten Bündnisses verheißt jedenfalls nichts Gutes. Für die zu leistende radikale Gesellschaftskritik ist das wahrscheinlich viel gefährlicher, als die organisierten Neonazis, um die sich längst die zivilgesellschaftlichen Institutionen kümmern.
Antifaschistische Gruppe Freiberg, Januar 2011
Fussnoten:
1 Klemperer, Victor (1957): LTI. Stuttgart: Reclam, 22. Auflage 2007, S. 304.
2 „Der alljährlich als Trauermarsch inszenierte Großaufmarsch stellt mit zuletzt über 6.000 TeilnehmerInnen den größten Naziaufmarsch Europas dar. Aber er ist nicht nur wegen seiner Größe relevant, sondern auch wegen seiner Ausstrahlungswirkung ins europäische Ausland und seiner Binnenwirkung in die verschiedenen, sonst oft zerstrittenen Spektren der Nazis. Autonome Nationalisten, NPD, DVU, der ganz rechte Rand von Burschenschaften und Verbänden sowie Nazis aus anderen europäischen Ländern kamen zusammen und konnten sich gemeinsam als mächtige Bewegung darstellen und erleben.“, ist alles, was im Aufruf von no pasarán dazu geschrieben steht.
3 Vgl.: http://anti.blogsport.de/2010/06/01/stoppt-das-massaker-in-gaza-ueber-linke-und-ihre-freunde/
4 Vgl.: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,734389,00.html und http://www.taz.de/1/sport/artikel/1/pogromstimmung-in-moskau/
5 Ein besonders drastisches Beispiel findet sich z.B. hier: http://de.indymedia.org/2011/01/298545.shtml?c=on#c694825
6 Adorno, Theodor W. (1963): Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit. In: Eingriffe. Neun kritische Modelle. Frankfurt am Main: Suhrkamp, Sonderausgabe zum 40jährigen Bestehen der edition suhrkamp 2003, S. 126.