Jeder und Jede die sich ein paar Jahre in Antifagruppen abgequält hat weiß um die mühseligen Diskussions- und Entscheidungsprozesse die dann in Pamphlete münden wie es jetzt die so genannte „Antifaschistische Linke Berlin“ zu den Protesten gegen den Neo-Nazi Aufmarsch am 13. Februar in Dresden veröffentlicht hat. Siehe Antifa-Auswertung Dresden 2010. Alle Zitate sind dem Text entnommen.
Es sagt einiges über das Interesse und, in diesem Fall hoffentlich, über den Zustand der Organisation aus, wenn mehr als drei Monate benötigt werden um ein Urteil über die eigenen Aktivitäten zu verfassen. Entschuldigend heißt also zu Beginn: „better late than never“ und es wird deshalb gleich ein Ausblick auf das nächste Jahr, respektive die „Großereignisse“ versprochen.
Das komplette Geschwätz über die „Organisierung“ und die „Entscheidungen unserer Gruppe und der assoziierten Strukturen“ ist für die Tonne, allerdings wird eine „politische Bewertung“ versprochen.
Die ALB konstatiert 2009 einen Wandel in der Gegenmobilisierung (gegen den Naziaufmarsch). Weshalb? „Der bewegungsorientierte Charakter der „NoPasaran!“ - Mobilisierung machten Mut“ dem, man höre und staune, ein „Ausbruch aus der Dresdner Szene-Lethargie“ vorausging. Demzufolge kamen viel mehr Menschen aus „Antifa-Zusammenhängen, als auch der Zivilgesellschaft nach Dresden“.
Mut ist natürlich viel wichtiger und einfacher, als eine politische Analyse anzufertigen und diese zur Diskussion zu stellen. Mut braucht es offenbar auch um aus der „Lethargie“ „auszubrechen“, was im übrigen der einzige Hinweis in dem Text darauf ist, das sich „NoPasaran!“ in Abgrenzung zu den vorangegangen Mobilisierungen gebildet hat.
Dies geschah explizit in Abgrenzung zu allen Positionierungen gegen das öffentliche Gedenken an die „Opfer“ des 13.Februar 1945 und gegen die, die dass mal informelle, mal ganz praktische Bündnis, der Dresdner Öffentlichkeit, des Bürgermobs und den Neo-Nazis, zur Verteidigung des „Dresden-Mythos“ kritisierten. Stattdessen setzt man auf inhaltlose Massenmobilisierung und windet sich ausnahmslos schlecht als recht, wenn es um eine inhaltliche Positionierung zum eigentlichen Hintergund des ganzen „13.Februar“ Spektakels geht.
Anders formuliert, man wollte den Bruch mit den antideutschen Mobilisierungen und den seit Mitte der 1990er Jahre formulierten Einsichten über die spezifische Verfasstheit des Dresdner Mikrokosmos rund um dem 13. Februar, sowie die ideologischen Kontinuitäten seit 1945.
So wird das natürlich nicht gesagt, sondern es wird pathologisiert in dem man die, nur langsame Weiterentwicklung der Kritik am Dresden-Gedenken als „Lethargie“ denunziert. Wobei hier festzuhalten bleibt, das sich das öffentliche Geschwätz, wie auch die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung kaum geändert hat, was natürlich ein Indikator für die Entwicklung der Kritik ist. Hinzugekommen ist in den letzten Jahren das instrumentalisierende Bedauern toter JüdInnen und die verbale Ausgrenzung der Neo-Nazis, wenn es politisch opportun erscheint. Nebenbei sei angemerkt, das der Protest nur wenig durch die Dresdner Bevölkerung unterstützt wurde und wird, weshalb ja erst das massenhafte Herankarren von Berufsdemonstranten eine Blockade des Neonazi-Aufmarsches möglich machte.
Die ALB fährt fort: „Aus den Erfahrungen der letzten Jahre zogen wir die Konsequenz, dass für 2010 nur antifaschistische Einheit Erfolg bringen würde. Hierbei sollten alle Akteure eingebunden werden, die tatsächlich das Ziel hatten, den Aufmarsch in Dresden zu verhindern.“
Die Antwort ist also nicht die Konflikte zu vertiefen und die Widersprüche auf die Spitze zu treiben, sondern Einheit. Alle dürfen mitmachen, wenn sie sich dem großen Ziel unterordnen. Wobei unterordnen eigentlich nicht nötig ist, da man sich inhaltlich sowieso nichts zu sagen hat, also auch nicht streiten kann. Welch antifaschistisches Wunderwerk also, das man sich auf „Menschenblockaden“ unter der Parole „Dresden nazifrei“ zusammenschloss. Ob man im Zentralkomitee der antifaschistischen Einheit nur eine Sekunde über das historische Vorbild bzw. die mögliche Assoziation der Parole damit nachgedacht hat bleibt wohl ein Geheimnis, aber es sagt etwas darüber aus was als „deutsch“ zu bezeichnen ist: Diese Art des Antifaschismus ist nichts anderes als Flurbereinigung und Heimatschutzaktion im großen Maßstab.
Und so geht es dann weiter im Text, über den indirekten Dank an die Staatsanwaltschaft die Mobilisierung unterstützt zu haben, die Vor- und Nachteile von Buskonvois, mit Verweis auf den langweiligen Hick-Hack zwischen PDS- und Antifakadern in Berlin, sowie eine unglaubwürdige Heroisierung des Anti-Nazi Protestes der im wesentlichen im „stundenlangem Ausharren in eisiger Kälte und Schnee“ bestand.
Am Ende gibt es dann, leider ohne die versprochene politische Bewertung, den Ausblick auf 2011.
Gespannt? Die inhaltliche Auseinandersetzung wird auf das nächste Jahr verschoben, aber (O-Ton ALB): „Die bewegungsorientierte Antifa geht aus diesem Event gestärkt heraus und sollte auch für 2011 enorme Anstrengungen unternehmen, den Aufmarsch in Dresden zu verhindern und gegen geschichtsrevisionistische Themen inhaltlich und praktisch aktiv zu werden. Indes ist klar, dass die Neonazi-Szene nächstes Jahr noch aktiver und gewalttätiger agieren wird. Deswegen wird es für die Autonome Antifa noch wichtiger sein, massenhaft nach Dresden zu mobilisieren und den Aufmarsch wieder zum Desaster für die Nazis zu machen.“
Es mutet etwas schräg an, warum jetzt, wenn man vor Kraft scheinbar kaum laufen kann, alles noch größer und wichtiger wird und noch enormerer Anstrengungen bedarf. Es verweist aber auf das instrumentelle Verständnis der so genannten „bewegungsorientierten Antifa“ zum verhandelten Gegenstand.
Dem, vornehmlich jungmännlichen, Anhang kann man nichts anderes anbieten als inhaltslose „Action“ bei einem „Event“. Als Ablenkung vom sonst recht langweiligen, prekären Leben zwischen Soziologiestudium und Sozialhilfe und der Qual der wöchentlichen Kommunikationssimulation, e.g. dem Antifa-Plenum. Entsprechend wird versprochen, das mit noch mehr „aktiven und gewalttätigen“ Neonazis zu rechnen sei, was bezweifelt werden darf, da auch das maximale Mobilisierungspotential der rechten Szene in Dresden seit Jahren erreicht wird und unter Berücksichtigung der üblichen geistigen Verfasstheit des Durchschnittsnazi eher zu erwarten ist, das viele kein Interesse mehr haben und stattdessen dezentrale Aktionen durchführen dürften.
Das eine zentrale politische Frage, nämlich die andauernde Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und ein Positionierung zur Geschichtspolitik, dabei zum „Event“ degradiert wird, spricht für sich und gegen die Antifa. Eine Konsequenz aus dieser Auseinandersetzung wäre eben, alles zu unterlassen was dem „13.Februar“ Gedenken in irgendeiner Art und Weise Legitimation verschafft.
Der Verweis hat natürlich noch einen anderen Hintergrund, denn ohne Monster-Naziaufmarsch gibt es natürlich auch keine „bewegungsorientierte“ Antifa Aktion, weshalb man androht eine „dauerhafte Perspektive der Verhinderung eines Aufmarsches dieser Größe“ und lustigerweise „mit diesem inhaltlichen Diskurs“ zu entwickeln.
Insofern gilt hier das gleiche, wie für das bürgerliche Dresden-Gedenken: Man braucht die Nazis, um am 13.Februar auf die Strasse gehen zu können, um den „Opfern“ des Bombardements der Nazistadt („antifaschistisch“) zu gedenken und sich so für eine besseres Deutschland zu engagieren.