2007-08-15

Warum Israel so nicht kritisiert werden kann

Matthias Küntzel hat eine sehr lesenswerte Antwort auf den von Alfred Grosser (der im übrigen die Verleihung des Börne Preises an Henryk M. Broder 
ablehnte) 
verfassten Text "Warum ich Israel kritisiere" veröffentlicht.

Zitat:
„Ich wurde als Jude von den Deutschen verachtet“ – mit diesem Satz leitet der französische Politikwissenschaftler Alfred Grosser, seinen Beitrag „Warum ich Israel kritisiere“ ein.

Er ist nicht der einzige, der Wert darauf legt, Israel als Jude zu kritisieren:
In Deutschland fordert eine Gruppe deutscher Jüdinnen und Juden, den Boykott der Hamas zu beenden, in den USA schlagen jüdische Autoren wie Tony Judt die Auflösung Israels als jüdischen Staat vor, in Großbritannien distanzieren sich 350 Independent Jewish Voices von der Pro-Israelhaltung ihres Dachverbandes.
Einige von ihnen, so der Historiker Eric Hobsbawn oder der Dramatiker Harold Pinter, scheinen ihr Jüdisch-Sein erst jetzt, als Israel-Kritiker, entdeckt zu haben, was ihnen eine größere mediale Aufmerksamkeit verschafft. Denn die Überzeugung, dass Juden über den Verdacht des Antisemitismus erhaben und deshalb besonders glaubwürdig sind, ist Common Sense.

Die Überschrift des Textes macht die Art und Weise des Kritisierens zum Thema
und so kommt Künzel leider nicht umhin der Möglichkeit der "Israelkritik" ein 
Hintertürchen 
zu öffnen und auf die Arbeitsdefinition der EU für die Beurteilung illegitimer, 
d.h. antisemitisch 
motivierter Kritik hinzuweisen. 

Dies erscheint recht eigenartig, wenn man 
bedenkt das vermutlich der allergrößte Teil der "Israelkritik" diese Regeln schnell überschreitet.


(...)
Bekanntlich ist auch Israel kein Hort der Tugendhaftigkeit.
Auf der einen Seite muss Israels Regierung wie jede andere demokratisch gewählte Regierung dieser Welt kritisiert werden.
Auf der anderen Seite ist das europäische Denken seit Jahrhunderten mit antijüdischen Mustern durchsetzt – da ist keine Kritik an Juden oder an Israel vor antisemitischen Stereotypen a priori gefeit.

Immerhin hat eine Arbeitsdefinition der EU für die Beurteilung, wann die legitime Kritik aufhört und der Antisemitismus beginnt, einen Rahmen gesetzt:

1. Wenn die israelische Politik mit Nazipraktiken gleichgesetzt wird oder Symbole und Bilder des klassischen Antisemitismus auf Israel übertragen werden;
2. Wenn Israel das Recht zu existieren, abgesprochen wird;
3. Wenn ein doppelter Standard angelegt und von Israel verlangt wird, was niemand von einem anderen demokratischen Staat erwarten oder fordern würde.


Diejenigen, die diesen Kodex verletzen, müssen deshalb noch keine Parteigängern des Nazi-Antisemitismus sein. Und doch bahnen sie den Weg für jene, die bereit sind, den Krieg gegen Israel auch mit Atomwaffen zu führen.

Heute wird Israel in einer Zangenbewegungen attackiert: Hier die eliminatorischen Antisemiten vom Schlage eines Ahmadinejad oder einer Hamas, die ihr „Wissen“ über Juden aus den Protokollen der Weisen von Zion ziehen, dort die nichtjüdischen wie jüdischen fellow travellers des Antisemitismus in den progressiven Bewegungen und Regierungen des Westens, die den iranischen Versuch, Israel zu delegitimieren, mit gedämpftem Echo aufgreifen und weitertragen.