Die Ortsgruppe der Jungsozialisten (von der SPD) ist stinkesauer, nachdem ihre kleine Protestaktion in Dresden gegen die Gebührenforderungen der Deutschen Bahn an den, sich selbst so nennenden „gemeinnützigen Verein deutscher Bürgerinitiativen“ Zug der Erinnerung e.V. von der Bundespolizei abrupt beendet wurde, denn die Bahn hat „Aus der Geschichte nicht gelernt“.
„Wie dreist kann man eigentlich sein? Die Deutsche Bahn lässt sich die Aufarbeitung ihrer Geschichte auch noch bezahlen. Dies ist nicht hinnehmbar, verantwortungslos und einfach unanständig!“Und weiter:
„Das Engagement des Zug der Erinnerung e.V ist beeindruckend, die Haltung der Deutschen Bahn hingegen beschämend. Es kann doch nicht sein, dass ein Projekt, welches sich mit einem Teil der Geschichte der Deutschen Bahn beschäftigt, auch noch Streckennutzungs- sowie Standgebühren bezahlen muss. Ist der Bahn ihre historische Verantwortung gar nichts wert?“
Welchen Wert die "historische Verantwortung" für die Deutschen hat und was „anständig“ ist erläutert auch Oliver Reinhard, Lohnschreiber der Dresdner Opferdeutschen in seinem Artikel „Endstation Massenmord“ in der Sächsischen Zeitung vom 29. April:
„Manchmal schenkt die Geschichte in ihren tödlichsten Momenten Leben.“Mal ganz abgesehen davon, das Geschichte gar nichts tut, was jetzt kommt kann sich der/die geneigte LeserIn vielleicht schon denken:
„Wie am 13. und 14. Februar 1945, als alliierte Bomben in Dresden Zehntausende (sic!) auslöschten. So bitter es klingt: Heinz- Joachim Aris verdankt dieser Katastrophe, dass es ihn überhaupt noch gibt. Der damals Elfjährige sollte mit seiner Familie in ein Vernichtungslager deportiert werden. „Doch der Zug der Reichsbahn Richtung Osten konnte die Stadt am 16. Februar nicht verlassen; die Bomben hatten auch die Gleise zerstört“, sagt Aris, der heute Vorsitzender im Sächsischen Landesverband der Jüdischen Gemeinde Deutschlands ist.Diese Erkenntnis ist so banal, und für all jene bekannt die sich ein wenig kritischer mit dem Dresdner Opferdiskurs auseinandergesetzt haben als Reinhard, der nicht mal merkt das es keine „Jüdische Gemeinde Deutschlands“ gibt, sondern nur den Zentralrat der Juden in Deutschland. Das ist aber nicht besonders wichtig, wenn es darum geht ein bisschen „13. Februar“ Gesäusel dort einzustreuen, wo es mal nicht vorrangig um „Dresden“ geht.
Darüber hinaus unterfüttert er die Beschreibung der Spurensuche Dresdner Schülergruppen mit Halbwahrheiten. So weiß der Geschichtsstudent Thomas Weidlich zu berichten:
„Viele haben sich regelrecht in das Thema hineingestürzt. Auch wenn sie zunächst etwas enttäuscht darüber waren, dass heute kaum noch Informationen vorhanden sind – die Bomben haben 1945 das meiste Material vernichtet“.Dabei wurde, im Rahmen der Spurensuche, festgestellt das die Zahl der deportierten Kinder aus Dresden nach oben korrigiert werden muss. (siehe hierzu die Veröffentlichung auf der Website der Ausstellung)
Dies jedoch mit bisher mangelnden Informationen aufgrund der Bombardierung zu begründen ist völlig vermessen. Die Geschichte der antisemitischen Verfolgung in Dresden war bislang höchstens Nischenthema in Dresden, weil das für die BekenntnisdresdnerInnen nie von Interesse war und es keine zusammenhängende Beschreibung über das nationalsozialistische Dresden gibt. Geschichte wurde erst ab 1945 erzählt.
Genau diesen „Ausdruck öffentliche Erinnerungskultur“, die die Dresdner Öffentlichkeit seit jeher zelebriert, meinte Kunst- und Wissenschaftsministerin Eva Stange, die sich im übrigen „sehr zufrieden“ zeigte, wahrscheinlich nicht, auch wenn es damit auf den Punkt gebracht wäre.
Vielmehr möchte man aus der deutschen Schuld, deutsche Verantwortung ableiten und schöpft entsprechend Potential für die nationale Identität. Besonders schön und deutsch formuliert hat das die Landtagsabgeordnete der „Linkfraktion“ Julia Bonk, die zu einer Podiumsdiskussion, natürlich über die „Erinnerungskultur“, anlässlich der Ausstellung formulierte:
“Die (...) Ausstellung erinnert anhand der Biographien von Kindern und Jugendlichen an Deportation und Vernichtung im Nationalsozialismus. Sie schafft so einen persönlichen Rahmen des Erinnerns, der die Tiefe der begangenen Verbrechen empfindbar (!) werden lässt und gleichzeitig die Frage nach gesellschaftlicher Verantwortung heute aufwirft.“Natürlich hat man auch in Dresden ein Herz für Kinder, sind das doch diejenigen, die man auch als die unschuldigsten aller „Opfer“ der Bombennächte regelmäßig zitiert, um „Leid“ zu beschreiben, immerhin kann den HJ- Pimpfen kaum eine Mittäterschaft an den Verbrechen des Nationalsozialismus unterstellt werden.
Beim „Zug der Erinnerung“ verhält es sich ganz ähnlich und vermutlich wäre die Ausstellung kaum so erfolgreich, denn erst die unterstellte, kindliche Unschuld, lässt die nationalsozialistischen Verbrechen „empfindbar“ werden, denn es wird auf Emotion gesetzt oder wie Reinhard schreibt:
„Man sieht sie lachen, mit Gesichtern, in denen sich niemals die Geschichten eines langen Lebens haben einschreiben können. Es gibt keine Bilder, die die Unmenschlichkeit der nationalsozialistischen Politik schrecklicher vor Augen führen, ohne dass man deren Folgen selber sieht. (...) „Ich glaube, es war wichtig, dass wir uns nicht nur mit Büchern, sondern mit den Schicksalen der Kinder beschäftigt haben“, sagt Sara Taborek.“Dieser Umgang mit der Vergangenheit, der Täter mit Opfern gleichmacht, weil „Leid“ zur Kategorie erhoben wird und sowohl für die PDS als auch für den Redakteur der Sächsischen Zeitung immer mit dem „Bekenntnis zur historischen Verantwortung“ (Reinhardt) endet und mit der daraus folgenden „gesellschaftlichen Verantwortung heute“ (Bonk) weitergeht, ist dabei völlig instrumentell.
Die Vernichtung der Juden wird dabei nur noch zum Background für die Erzählung menschelnder Schicksale, aber man spricht eben nicht über die gesellschaftlichen, spezifisch deutschen Bedingungen die zum Verlust jeglicher Individualität der Opfer und zum Massenmord in den Gaskammern führten. Dabei veranstaltet man die Auseinandersetzung mit dem Unbegreiflichen als nationale Freizeittätigkeit und kann sich mit dem Meckern gegen das Bahn Management, noch einige politische Vorschusslorbeeren im „Kampf gegen Rechts“ aus nationaler Verantwortung abholen.
Nicht ganz so schön formuliert, aber das Ganze noch mal auf den Punkt gebracht hat ein Besucher, als würde er ein Kind tadeln, nach einer kurzen Einführung durch einen Ausstellungsmitarbeiter, in breitem Sächsisch:
„Wolle`mer ma hoffen das des nee weedär bassierd.“