2008-09-14

Über die Anti-Denglishs...

Hi, Peter Jaensch und Dieter Kupsch vom Verein Deutsche Sprache!

Wie ich in der Sächsischen Zeitung lesen durfte, haben Sie sich in Dresden dem Kampf gegen die Überfremdung unserer schönen Muttersprache durch Anglizismen verschrieben. Da sehe ich Fotos von Ihnen, Dieter Kupsch (78, Rentner, DSU), wie sie mit gespielter Verzweiflung durch die Stadt irren und vor lauter englischen Beschilderungen gar nicht mehr wissen, wo Ihnen der Kopf steht. In der Schule hätten Sie nur Latein und Griechisch gelernt, klagen Sie, Englisch hingegen nicht. Mich durchrieselten Schauer des Mitleids. Aber es geht natürlich nicht nur um ihre eigenen Verständnisschwierigkeiten, nein, hier steht viel mehr auf dem Spiel: die deutsche Sprache. Ihr prophezeien Sie

"einen einsamen Tod, eine Niederlage gegen die Übermacht englischer Worte."
Read more via Saxroyal: "Hi, Peter Jaensch und Dieter Kupsch vom Verein Deutsche Sprache!"

2008-09-12

Das Ende der Bescheidenheit



Eine bizzare Provinzposse treibt das Dresdner Lokalparlament und den anhängenden Politbetrieb anlässlich des Jahrestages des antisemitischen Massenmordes des 11. September 2001 um.

In der Sitzung des Stadtrates am 11. September 2008 beantragte der Abgeordnete des „Nationalen Bündnis`“ Wolfgang Schwarz eine Gedenkminute für die Opfer des „11.September“ abzuhalten und sorgte damit für den, wohl erhofften Skandal.


Die Abgeordneten des "Nationalen Bündnis`" zu Dresden, nebst Maskottchen.

Den, eher tumben, Gestalten des NPD Ablegers im Dresdner Stadtrat kann kaum unterstellt werden besonders viel Emphatie für „tote Amis“ zu empfinden. Vielmehr liegt diesen Leuten und ihren rot-braunen Kombattanten eher nahe gegen „amerikanische Dominanz“ zu agitieren und die längst zur Mehrheitsmeinung avancierten Verschwörungstheorien um „9/11“ bei jeder Gelegenheit wiederzukäuen, um den grünen Faschismus im Zeichen des Koran als „gerechten Widerstand“ zu verklären.
Immerhin finden in Deutschland keine Gedenkveranstaltungen an den 11. September, weder durch deutsche, muslimische und schon gar nicht durch Nazi-Organisationen statt. Unter diesem Eindruck handelt auch die deutsche Presse die Gedenkveranstaltungen in den USA im wesentlichen teilnahmslos ab. Im Dresdner Stadtrat kam jedenfalls bislang niemand, auch nicht die „demokratischen Fraktionen“, auf die Idee eine Gedenkminute anlässlich des 11. September zu beantragen, weil auch diese kein Interesse an „toten Amis“ haben.

Dennoch bewegt sich das allseits zu vernehmende Geraune „über die wahren Hintergründe des 11. September“ unter einem, dem deutschen Gemüt nach, gefühlten Tabu.
Dieses Tabu, das keines ist, weil es dauernd gebrochen, und dies kaum skandalisiert wird darf als wesentlicher Grund angenommen werden, weshalb dem Antrag des „Nationalen Bündnis`“ von einer Mehrheit der Dresdner StadträtInnen zugestimmt wurde.
Immerhin hält man hier, in Dresden, wo das kollektive Bewusstsein wesentlich durch die Erzählungen über den „13. Februar“ geprägt ist, etwas auf sich, wenn es darum geht „Krieg und Gewaltherrschaft“ zu gedenken. Nach dieser Logik wurden schon vor einigen Jahren der Angriff auf die Zwillingstürme mit dem Bombenangriff der Alliierten auf das nationalsozialistische Dresden im zweiten Weltkrieg gleichgesetzt oder, dies wird allerdings eher vom, stets dreckigen, Volksmund vorgetragen, der „11.September“ als späte, aber gerechte Strafe dafür interpretiert.

Die Gedenkminute wurde jedenfalls entsprechend dem, von einer Mehrheit des Stadtrates durchgewunkenen, weil substanzlosen, Antrages abgehalten, wobei die Fraktion der „Grünen“ daraufhin den Saal verließ. Das „Nationale Bündnis“ frohlockte, da zum ersten Mal einem ihrer Anträge zugestimmt wurde, was für die Grünen Anlass zur Skandalisierung, um des Ansehens des "demokratischen Konsens" willens, ist.
Die Linkspartei droht nun dem Landtagsabgeordneten und Stadtrat Ronald Weckesser mit Ausschluss aus der Fraktion, während der lokale CDU Funktionär Michael Kretschmar darauf auf die „Überrumplungstaktik“ der Nazis verwies, den Grünen „parteipolitische Instrumentalisierung“ vorwarf und die Zustimmung zu diesem Antrag nunmehr für einen „Fehler“ hält.

Weiterführende Links zum siebenten Jahrestag des 11. September 2001:
Lizas Welt: "Die Logik der Feinde"
Riotpropaganda: "Remember 9/11"
Nichtidentisches über die kulturindustrielle Verarbeitung: "Michael Moores Fahrenheit 9/11 vs. Flight93"
Comite liberte: "Rembember 9-11 - Remember Ground zero"

plus: One tribute video

2008-09-03

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo...

Seit mehreren Jahren lädt die Stadt Dresden ehemalige jüdische Bewohner, die während des Nationalsozialismus geflohen sind oder deportiert wurden und die Shoa überlebt haben zu einem mehrtägigen Besuch nach Dresden ein. Es soll damit ein „Zeichen der Versöhnung“ gesetzt werden und den ehemaligen Verfolgten, wohl auch in Sachen Imagepflege, die Möglichkeit gegeben werden ihre alte „Heimat“ zu besuchen.



Da ein paar alte JüdInnen in Dresden niemanden interessieren, ist die Zeitungsmeldung darüber für gewöhnlich eher kurz und taucht auf den hinteren Seiten des Lokalteiles auf.
Darf man jedoch jemand als ahnungslos und blöde bezeichnen oder gar verdächtigen den Holocaust zu leugnen, der einen Bericht über den Besuch ehemaliger Dresdner JüdInnen wie den folgenden formuliert?
Eine kleine Polemik...

Quelle: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1927134
Erschienen am 02.09.2008

"Helma Orosz trifft eine Reisegruppe aus der Vergangenheit

Die Oberbürgermeisterin begrüßte gestern jüdische Besucher, die nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder in Dresden waren.

Zu gern hätte Helma Orosz den Gästen ihre Amtskette vorgeführt, doch auf die muss die Oberbürgermeisterin noch warten. Sie vertröstet auf den nächsten Besuch. „Aber der kommt bestimmt“, sagt sie. Für die meisten Teilnehmer der zwölfköpfigen Gruppe ist es die erste Reise nach Dresden, seit sie Deutschland während des Zweiten Weltkrieges verlassen haben. Alle sind jüdischer Konfession, alle haben ihre familiären Wurzeln in der Stadt.

Heute sind ihre Adressen in der ganzen Welt verstreut: in Südamerika, Schweden, Israel oder Bayern. 1994 fand im Rathaus der erste Empfang jüdischer Exilanten statt, mittlerweile ist er Tradition geworden. Auch wenn die Gruppen jedes Jahr kleiner werden – und die Generation der Zeitzeugen älter.

Am Sonntag ist die Delegation angekommen, hat mit der Oberbürgermeisterin gespeist und sich für den nächsten Tag erneut mit ihr verabredet, dieses Mal im offiziellen Rahmen. Es ist ein emotionales Treffen. Erinnerungen werden wach, an Schulen und Straßen, die heute nicht mehr existieren. Der Platz um die Synagoge sei ihm im Gedächtnis geblieben, erzählt Wolfgang Apt, der in Bolivien lebt. Sonst nichts. Dresden habe sich im Laufe der Jahre ein anderes Gesicht aufgesetzt. „Ein schönes“, versichern die Besucher. Bis Donnerstag wollen sie bleiben, durch die Stadt spazieren und ein Konzert in der Semperoper besuchen. Manch einer hat sich außerdem vorgenommen, die eigenen Spuren der Vergangenheit aufzunehmen. (doh)"
Natürlich hat die neue Oberbürgermeisterin keine Reisegruppe aus der „Vergangenheit“ getroffen. Wie hätte das denn ausgesehen? Bei uns! Hätten sie doch, nach der, den Deportationen in die Vernichtungslager vorausgegangenen Verfolgung und Demütigungen wohl kaum das Bild abgegeben was man sich im kleinen, hübschen Dresden von seinen Gästen wünscht. Vielleicht hätte Fr. Orosz auch der gelbe Stern auf der Kleidung irritiert, aber möglicherweise wäre auch das noch als Zeichen für die Bereichung des „weltoffenen Dresdens“ interpretiert wurden.
Aber das ist ja alles Geschichte, genauso wie diese Menschen, die deswegen schon mal extra aus der Vergangenheit anreisen, um Dresden zu besuchen.

Zudem konnte Fr. Orosz Ihre Amtskette* leider nicht vorführen, was natürlich ein absolut wichtiger Punkt ist, der „beim nächsten Besuch“ bestimmt nachgeholt wird. Aber nur dann wenn die, die damals, unter anderem vom nationalsozialistischen Amtsvorgänger der Fr. Orosz, und seinen Kettenhunden aus der Stadt deportiert wurden, dann noch leben, denn die „Zeitzeugen werden ja immer älter“, wobei der Artikel völlig verschweigt was diese denn bezeugen sollen. Entschuldigung, natürlich haben sie damals die Stadt „verlassen“, um nach „Südamerika, Schweden, Israel oder Bayern“ zu gehen und dort vermutlich Urlaub zu machen.
Allerdings scheinen diese Feinheiten des deutschen Geschwätzes über die „Vergangenheit“ weder der Sächsischen Zeitung, noch der „Amtsverweserin“ wichtig, um mit ein paar davon gekommenen Juden Politikfähigkeit in Sachen Geschichte zu demonstrieren.
Wenn die „jedes Jahr kleiner werdenden Gruppen“ der "Besucher aus der Vergangenheit" irgendwann nicht mehr kommen hat Fr. Orosz bestimmt auch ihre Amtskette endlich gefunden.

*Da noch eine Klage gegen ihre Wahl zur Verhandlung steht, ist sie nicht Oberbürgermeisterin und darf deswegen die „Amtskette“ nicht tragen und wird als "Amtsverweserin" bezeichnet.