2008-06-05

Make HISTORY to STORY

Das Problem, etwas zu malen, wird nicht dadurch gelöst, es möglichst naturalistisch oder abstrakt wiederzugeben, sondern das umzusetzen, was im Menschen das betreffende Gefühl erwecken kann. Kunst interpretiert Empfindungen und drückt sie aus!
Das Medium Kunst zu beherrschen, setzt deshalb voraus, daß das, was künstlerisch wiedergegeben werden soll, als Emotion begriffen wird. In der Konsequenz heißt Kunst, Dinge und Zusammenhänge von innen zu begreifen, sich in sie hineinzuversetzen. Das bedeutet, daß ein/e Künstler/in nur Dinge im Medium Kunst darstellen kann, die er/sie (zumindest bis zu einem bestimmten Grad) selber ist.
Ein Überbleibsel der früheren Autonomen Antifa (M) ist die Gruppe „Kunst und Kampf“ (KuK) bzw. deren Protagonist Bernd Langer. Dieser tourt durch die Bundesrepublik und hält Vorträge zum „revolutionären Antifaschismus“, oder bietet in Berlin alternative Stadtrundgänge zu Schauplätzen der Novemberrevolution an. Darüber hinaus ist wichtig zu betonen das sich „KuK“ als eine der wenigen politischen Organisationen aus der linksradikalen Bewegung versucht hat einen Begriff von „Kunst“ zu erarbeiten.

Obige Erklärung findet sich im Grundsatztext der KuK und die Werke Langers und der Gruppe sprechen genau diese Sprache wie im folgenden, am letzen Gemälde Langers zu kritisieren sein wird. Hierbei ist zunächst festzuhalten, das KuK, als Ideologieproduzentin, irgendwann stehen geblieben ist, noch bevor sich die Antifa (M) aufgelöst hat und der Ansatz des „revolutionären Antifaschismus“ in die Kritik gerat, zeigt sich doch das es sich um schlichten Antiimperialismus handelt, der sich im wesentlich an „historische“ Vorbilder, wie etwa die KPD etc der 20er/30er hält.

Tatsächlich produziert (in diesem Sinne) KuK nicht nur Antifa Plakate, sondern auch politische „Gemälde“, die teilweise reale Vorlagen haben oder für die es keine reale Vorlage gibt.

Ein weiteres Zitat:
„Kunst heißt Bewußtsein schaffen, Widersprüche entwickeln, Probleme aufzeigen, Lösungen provozieren. Kunst heißt, in individuelle und gesamtgesellschaftliche Prozesse eingreifen und immer wieder den Versuch der Klärung zu unternehmen, also Stellung zu beziehen. Nur diese Inhalte heben Kunst von billiger Propaganda ab. Propaganda und Produktwerbung unternehmen das Entgegengesetzte: Keine Widersprüche, keine Entwicklung von Bewußtsein, nur der Versuch, Tatsachen zu vertuschen, einfache Lösungen zu bieten, zum Kaufrausch abzurichten, zur Gedankenlosigkeit zu verführen.“
Kunst und Politik gehen nicht zusammen. Jedenfalls nicht im Sinne der KuK, heißt dies doch auch, das, was hier als „gesellschaftlicher Prozess“ bezeichnet wird, zu reduzieren, zu vereinfachen, kurz begreifbar und darstellbar zu machen.
Dabei greift gerade KuK auf Reduktionsmechanismen zurück und produziert objektiv Propaganda, die sie nicht machen wollen, und bewirbt ein Produkt welches „revolutionärer Antifaschismus“ heißt.

Besonders hässlich wird dieses Polit-Angebot natürlich dort, wo es praktisch wird, nämlich dann, wenn sich das Bedürfnis nach Vermittlung an der deutschen Geschichte abarbeitet.
Dabei verzichten die Propagandisten nicht einmal auf eine peinliche Absage an das Denken.

Deswegen sei noch ein weiteres Zitat vorangestellt:
„Die revolutionäre Aktion bezieht gesamtgesellschaftliche Kritik, Fragestellungen und Perspektiven mit ein, auch wenn sie sich im konkreten Fall nur auf einen Schwerpunkt bezieht. Nichts wäre törichter, als sich in Theorie zu verlieren und eine Politik zu verfolgen, die mit den Menschen und ihren Lebensbedingungen nichts zu tun hat und die von daher auch nicht verankert ist beziehungsweise um Verankerung und Verständlichkeit bemüht ist.“
Seit nunmehr 20 Jahren findet an der Gedenkstätte Buchenwald ein Antifa Camp statt, welches sich der Pflege der Anlage, aber vor allem der Auseinandersetzung mit den Nazis in der Region beschäftigt. Schaut man sich die Einlassungen der OrganisatorInnen hierzu an kann der Eindruck entstehen es handelt sich um eine Art linker Traditions- bzw. Friedhofspflege. Es gibt nicht nur ein ganz zackig-preussisches Ablauf-, sondern auch ein entsprechende ideologisches Begleitprogramm.

Jedenfalls hat Bernd Langer in diesem Jahr ein Gemälde produziert, welches als Vorlage für das Mobilisierungsplakat dient und in ganz bemerkenswerter Art und Weise Geschichtsrevisionismus der ganz anderen Art, aber im Sinne der KuK Ideologie, betreibt.

Grundlage des Gemäldes ist ein Foto welches eine Szene, kurz nach der Befreiung des Lagers durch die Häftlinge und die US Army darstellt.




Zu sehen ist ein Gruppe von Personen, die sich jedenfalls in der vorliegenden Qualität nur schwer unterscheiden lassen. Offensichtlich ist ein, an seiner gestreiften Hose, zu erkennender bewaffneter Häftling zu sehen, der umringt ist von Soldaten, wovon einer mutmaßlich der US Army angehört, da er bewaffnet ist, während die anderen Uniformierten unbewaffnet sind bzw. einer die Arme hinter dem Kopf hält, es sich also um Nazis handeln muss.

Leider hat Langer keine Erklärung zu diesem Bild abgegeben, aber seine Darstellung spricht für sich, denn er hat das Bild bewusst verändert, um wie wir uns erinnern „das umzusetzen, was im Menschen das betreffende Gefühl erwecken kann.“



Und so lügt das Gemälde an mehreren Stellen:
Beim Originalbild ist zu vermuten, dass die Aufnahme bei Tag entstand, jedenfalls ist es nicht dämmerig oder morgenrot, wie es das Gemälde suggeriert.
Obwohl die Personen auf dem Foto sich in Gestalt, Gesichtszügen und Ausdruck unterscheiden sehen sowohl die Nazis, als auch Häftling und US Soldat alle gleich aus und doch ist ihnen Emotion eingezeichnet.
Der Nazi rechts im Foto ist dabei nur im Profil zu sehen, wirkt jedoch dort sehr jung, geradezu knabenhaft. Langer hat ihn jedoch bereits zum Mann gezeichnet, wobei unklar ist was damit bezweckt werden soll.

Interessant ist vielleicht das Fotos je nach dem welcher Ausschnitt verwendet wird, andere Szenen darstellen können und einen andere Wahrnehmung hervorrufen (sollen).
Beispielsweise ist im Foto ist links ein weiterer Arm zu sehen, der auch einem Häftling gehören muss, da dieser die entsprechende Kleidung trägt. Im Gemälde ist dieser nicht zu sehen und es entsteht der Eindruck das der bewaffnete Häftling allein steht und die Anklage erhebt.

Das ist insofern eigenartig, weil so der Eindruck entsteht, dass erstens hier das Individuum in der politischen Auseinandersetzung im Vordergrund steht zweites jedoch damit verwischt wird das eben keine Individualität in den Lagern gab. Darüber hinaus entsteht so der Eindruck das die Nazis jederzeit in der Lage wären doch wieder die physische Oberhand zu gewinnen, obwohl im Originalkontext deren Situation so nicht gewesen sein kann.


Zudem wird der Häftling explizit zum politischen Gefangenen umgelogen, in dem Langer ihm einen roten Winkel auf die Hose zeichnet, der im Original nicht erkennbar ist.
Nicht nur das Langer bewusst ein Symbol verpasst, nein, ganz im Sinne des „revolutionären“ Kunstbegriffes kann es sich ausschließlich nur um einen Kommunisten handeln.
Wir erinnern uns:
„Das bedeutet, daß ein/e Künstler/in nur Dinge im Medium Kunst darstellen kann, die er/sie (zumindest bis zu einem bestimmten Grad) selber ist.“
Dabei ist bemerkenswert, das Kennzeichnungssystem der Nazis nicht vorsah den Winkel „irgendwo“ z.B. an der Hose zu tragen, sondern explizit auf der Brust.

Den Nazis malt Langer zudem stilisierte Hakenkreuze an das Revers, um eben im Gegensatz zum „roten Winkel“ klarzustellen wo die Fronten verlaufen. Dabei ist jedoch deutlich das dies im Foto nicht so ist, es eben offen bleibt wer sich tatsächlich dort gerade in welcher Situation befindet.


Ein weiteres interessantes Detail bildet die Darstellung des US-Soldaten.
Dieser hat, im Gegensatz zu den anderen Abgebildeten, kein Symbol welches ihn eindeutig kennzeichnet.
Nun ist bekannt das es die US- Army war die Buchenwald befreite und später die Weimarer Bürgerschaft mit ihren Verbrechen konfrontierte. Weil aber Langer Propaganda betreibt darf genau dies nicht erkennbar sein. Vielleicht hat es ja nicht nur mit billigem Antiamerikanismus zu tun, sondern eben auch mit dem Bedürfnis Politik zu machen die etwas mit den „Menschen“ und „Lebensbedingungen“ zu tun hat.
Beides gehört in Deutschland und deutschen Köpfen jedoch zusammen.

Soll heissen der GI darf als solcher nicht auftauchen, weil „Verständlichkeit für die Lebensbedingungen der Menschen“ zum Primat der Politik erklärt wird und deshalb verleugnet wird, wer den Schwur von Buchenwald heute tatsächlich noch ernst nimmt: nämlich die US Army und die Israel Defence Forces.

Passend hierzu findet sich auf der Seite des Antifa Camps folgende Passage, die all jene, die sich ab und zu in Theorie verlieren und eine Politik verfolgen, die mit den Menschen und ihren Lebensbedingungen nichts zu tun hat, von vornherein eine Absage erteilen soll.
Das Antifa Camp definiert sich nicht über Nationen, nationale Symboliken und Nationalstaaten. Dieser Grundsatz ist nicht als Negierung des entsprechenden Passus im Schwur von Buchenwald („Wir danken den verbündeten Armeen,…“) zu verstehen, sondern verdeutlicht für uns vielmehr, dass diese Passage des Schwures von Buchenwald nur in ihrem konkreten historischen Kontext Gültigkeit hat. Eine Ausweitung auf heutige Zustände und Staaten ist für uns nicht akzeptabel.



Das Plakat zum Antifa-Lager setzt dann noch eins drauf und lässt über der beschriebenen Szene eine antifaschistische Sonne aufgehen, aus der das Buchenwald Denkmal aufsteigt und sekundiert wird von dem Ausspruch „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg“, sowie „Erinnern heisst handeln“.

Treffender lässt sich wohl kaum der deutsche Konsens und welche Konsequenzen man aus der deutschen Geschichte zu ziehen vermag, sowie, wie man sie „dargestellt“ wissen möchte, ausdrücken.